Zusammenfassung
Die EMRK ist zu einem gemeineuropäischen Verfassungstext geworden. Weitaus bedeutender als die konkreten Formulierungen der Konventionsgarantien ist allerdings die Rechtsprechung des EGMR, der diese Garantien mit Leben erfüllt. Innerstaatlich gewinnt die EMRK zwar an Durchschlagskraft, wenn ihren Garantien Verfassungs- oder zumindest Übergesetzesrang eingeräumt wird. Viel wichtiger als formale ...
Zusammenfassung
Die EMRK ist zu einem gemeineuropäischen Verfassungstext geworden. Weitaus bedeutender als die konkreten Formulierungen der Konventionsgarantien ist allerdings die Rechtsprechung des EGMR, der diese Garantien mit Leben erfüllt. Innerstaatlich gewinnt die EMRK zwar an Durchschlagskraft, wenn ihren Garantien Verfassungs- oder zumindest Übergesetzesrang eingeräumt wird. Viel wichtiger als formale Rangfragen ist aber die Autorität der EGMR-Rechtsprechung. Deutsche Gerichte verschaffen der EMRK Wirksamkeit, indem sie die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung des deutschen Fachrechts und der Garantien des GG heranziehen. Ähnlich verhält es sich in der EU. Obwohl die EMRK bis heute weder für die noch in der Union formal rechtsverbindlich ist, judiziert der EuGH grundsätzlich in Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR. Zog er EGMR-Urteile früher zur Feststellung allgemeiner Rechtsgrundsätze heran, macht er sie heute für die Auslegung der Grundrechtecharta fruchtbar. Die Rechtsprechung des EGMR wird so zu einem Maßstab für die Grundrechtsentwicklung in Europa. Will der EGMR diese Rolle weiterhin ausfüllen, ohne die Vielfalt europäischer Grundrechtskulturen in Frage zu stellen, muss er freilich die richtige Balance finden zwischen dynamischer Konventionsauslegung einerseits und dem Respekt vor nationalen Beurteilungsspielräumen andererseits.
Der Beitrag wendet sich an fortgeschrittene Studierende und dient der Wiederholung und Vertiefung. Behandelt wird der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf das deutsche Recht und das Unionsrecht. Es geht also um die Bezüge des deutschen und des Unionsrechts zum Völkerrecht, wobei im deutschen Recht das Staats- sowie das Allgemeine Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht im Vordergrund stehen.