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- URN to cite this document:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-139707
- DOI to cite this document:
- 10.5283/epub.13970
Item type: | Thesis of the University of Regensburg (Habilitation) |
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Date: | 20 May 2003 |
Referee: | Prof. Dr. Hans Wolf |
Date of exam: | 2 February 2004 |
Institutions: | Medicine > Lehrstuhl für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene |
Dewey Decimal Classification: | 600 Technology > 610 Medical sciences Medicine |
Status: | Published |
Refereed: | Yes, this version has been refereed |
Created at the University of Regensburg: | Yes |
Item ID: | 13970 |
Abstract (German)
Ausgangspunkt dieser Experimentalarbeit war die Charakterisierung zentraler regulatorischer Elemente latent persistierender Genome des Epstein-Barr-Virus in lymphoiden Zellinien. Im Verlauf der Arbeit ergaben sich aber Erkenntnisse, die weitaus weitergehende Aussagen zur Entstehung von viruskorrelierten Krebserkrankungen und der spezifischen Rolle des EBV bei diesem Prozess erlaubten und zur ...

Abstract (German)
Ausgangspunkt dieser Experimentalarbeit war die Charakterisierung zentraler regulatorischer Elemente latent persistierender Genome des Epstein-Barr-Virus in lymphoiden Zellinien. Im Verlauf der Arbeit ergaben sich aber Erkenntnisse, die weitaus weitergehende Aussagen zur Entstehung von viruskorrelierten Krebserkrankungen und der spezifischen Rolle des EBV bei diesem Prozess erlaubten und zur Etablierung eines neuen Modells führten. Die Chromatinstruktur von zentralen Regulator-Elementen, Ursprüngen der DNA-Replikation und
Promotoren der Transkription des EBV, wurde in einer Reihe von Zellinien mit Nukleotidauflösung in vivo analysiert. Im einzelnen wurden oriP, orilyt, EBER1p, EBER2p, Qp, Cp, LMP1p, LMP2Ap, L1-TRp, BARTp, Zp, Rp, und vIL10p/rep* untersucht. Dabei wurde als Methodik hauptsächlich das Genomische Footprinting
zur Analyse der Protein-DNA-Bindung verwendet. Zusätzlich wurde das Bisulfit-Sequenzieren zur Bestimmung des Methylierungsgrads von CpG-Dinukleotiden verwendet. Zur weiterführenden Identifizierung und Charakterisierung von
Bindungsstellen und regulatorischen Proteinen wurden Gelretardationsanalyse, Reportergen-Versuche und Chromatin-Immunpräzipitation eingesetzt.
In den meisten Promotoren konnten neue Bindungsstellen für Replikations- und Transkriptionsfaktoren kartiert werden. Andererseits konnte gezeigt werden, daß Bindungsstellen, die in früheren Analysen durch in vitro Techniken definiert wurden,
in vivo auf latenten EBV-Genomen nicht wirklich von Proteinen besetzt sind. Untersuchungen von hier erstmals entdeckten Bindungsstellen führten zur weiteren Charakterisierung regulatorischer Proteine. Diese Kartierungsarbeit führte daher zur Modifikation und Korrektur bestehender in vitro Modelle.
Von allgemeinem molekularbiologischen Interesse war die Identifizierung und funktionelle Charakterisierung einer telomerartigen DNA-Sequenz, die im Initiator der DNA-Replikation des oriP in regelmäßigem Abstand dreimal vorliegt. Da der oriP wie ein chromosomaler Replikationsursprung des menschlichen Genoms funktioniert, hat
die Entdeckung dieses neuen Replikationselements im oriP des EBV generelle Konsequenzen für die Erforschung der DNA-Replikation.
Eine Beobachtung, deren Bedeutung über ein allgemeines molekularbiologisches Interesse hinausgeht, gelang im EBER-Locus des EBV. Im Promotor des EBER1-Gens befindet sich eine funktionelle Bindungsstelle für das Onkoprotein und den Transkriptionsfaktor c-Myc. Diese Bindungsstelle liegt innerhalb einer DNA-Sequenz von 19 Basenpaaren Länge, die mit identischer Basenabfolge ein einziges Mal auch im menschlichen Genom vorliegt. Dort liegt sie am 5´-Ende des Immunglobulin Lambda Locus, exakt vor den Genen für die variablen Abschnitte der Immunglobuline. Diese Bindungsstelle stellt die erste direkte Verbindung zwischen der Translokation und Überexpression des c-myc-Gens und dem EBV-Genom beim
Burkitt Lymphom dar und erlaubt die Etablierung eines neuen molekularen Modells für die Entstehung des Burkitt Lymphoms. Die Entdeckung einer Bindungsstelle für das Onkoprotein c-Myc an einem zentralen Ort des viralen Genoms wurde daher zum neuen Schwerpunkt der Arbeit. Der gewählte Titel lautet daher „Wie verursacht das Epstein-Barr-Virus Tumore?“ zusammen mit einem Lösungsvorschlag „Ein neues molekulares Modell der Entstehung des Burkitt Lymphoms“. Dieses Modell berücksichtigt im Gegensatz zu bisher bestehenden Modellen virale Expressionsmuster und Eckdaten aus EBV-Forschung und Hämatologie, kombiniert diese auf einfache Weise, und weist dem EBV eine kausale Rolle bei der Tumorentstehung zu, die über eine Rolle als opportunistischer Trittbrettfahrer hinausgeht. Eine Immunsuppression ist bei diesem Modell keine Voraussetzung für
die Lymphomentwicklung. Die durch EBV zur lymphoblastoiden Zelle transformierte B-Zelle ist in diesem Modell nicht die Vorläufer-Zelle der Lymphomzelle. Die Fähigkeit des EBV, B-Zellen zu immortalisieren und morphologisch zu transformieren, spielt nicht die wesentliche Rolle.
Die Entstehung des Burkitt Lymphoms läuft nach diesem neuen Modell folgendermaßen ab: Die Translokation des c-myc-Gens geschieht als Nebenprodukt der physiologischen Keimzentrumsreaktion, auch beim Gesunden. Praktisch alle
translozierten Zellen werden jedoch durch den im Keimzentrum stark ausgeprägten Schutzmechanismus der Apoptose eliminiert. Normalerweise befinden sich in den lymphoiden Keimzentren des Gesunden keine EBER-positiven bzw. EBV-infizierten Zellen. Im Keimzentrum sind EBV-infizierte Zellen erst unter den Bedingungen der Überstimulierung des Immunsystems anzutreffen, wie sie z. B. bei der Malaria, bei frühen AIDS-Stadien und generell bei Parasitosen beobachtet werden. Wenn unter diesen speziellen Bedingungen die Translokation des c-myc-Gens in einer EBVinfizierten Zelle geschieht, dann aktiviert c-Myc direkt über seine Bindungsstelle im EBER1-Promotor die anti-apoptotische Funktion der EBERs. Das deregulierte c-myc-Gen kann durch die chromosomale Translokation nicht mehr abgeschaltet werden. Da die pro-apoptotische Funktion von c-Myc durch die starke Expression der anti-apoptotisch wirkenden EBERs ausgeglichen wird, wird die translozierte Zelle mit höherer Wahrscheinlichkeit die Schutzmechanismen des Keimzentrums überleben, wenn sie EBV-infiziert ist. Als Folge kann sich in überlebenden translozierten Zellen das onkogene Potential des überexprimierten c-Myc-Proteins frei entfalten.
Die anti-apoptotischen Effekte der viralen LMP2A- und LMP1-Expression könnten, zusammen mit der EBER-Expression, in analoger Weise die Entstehung der EBVpositiven Subtypen des Hodgkin Lymphoms in Keimzentren erklären. Wenn zusätzlich zur Translokation und Deregulierung von zellulären Onkogenen und zur transienten Expression von anti-apoptotischen viralen Proteinen noch hit and run-Mechanismen in dieses Modell einbezogen werden, ist es denkbar, daß das EBV auch an der Entstehung von EBV-negativen Keimzentrums-Lymphomen kausal beteiligt ist, daß EBV aber im Lauf des Tumorwachstums aus den Lymphomzellen verloren geht. Die Erhaltung des EBV in der Burkitt Lymphom-Zelle dürfte durch die nuclear matrix attachment-Funktion der c-Myc-Bindung erst möglich werden. Der Normalfall wäre dann der sekundäre Verlust des viralen Genoms. Das klassische Burkitt Lymphom wäre unter den Keimzentrums-Lymphomen dadurch ein Sonderfall, daß das EBV im Tumor erhalten bleibt. Die Entwicklung transgener Tiermodelle soll in nächster Zukunft dazu beitragen, die Tragweite dieses molekularen Modells der Lymphomentstehung zu untersuchen.
Es bleibt die Frage bestehen, ob das EBV hauptsächlich durch seine antiapoptotischen Funktionen zur Tumorentstehung beiträgt, oder ob zusätzlich noch virale Mutagenese-induzierende Funktionen dabei helfen. Die Bindungsstelle für c-
Myc stellt eine Homologie zwischen dem EBV und den Immunglobulinloci dar. Über die c-Myc Bindungsstelle hinaus zeigen die EBERs Homologien mit den VSegmenten, ist der oriP funktionell homolog zum intronischen Immunglobulin-Enhancer, und wurden in den W-repeats des EBV Signale gefunden, die homolog zu den switch-Signalen der konstanten Abschnitte der Immunglobuline sind. Damit wurde eine starke Kolinearität von strukturellen und funktionellen Elementen des EBV-Genoms und der Immunglobulin-Loci sichtbar, die sich teilweise in Sequenzhomologien widerspiegelt. Möglicherweise ist das EBV-Genom mit den Immunglobulin-Loci evolutionär verwandt. Deshalb könnten die EBERs mit der zellulären Maschinerie für die Somatische Hypermutation interferieren, diese fehlsteuern oder in nicht-B-Zellen aktivieren, zur größeren Mutationshäufigkeit in EBV-infizierten Zellen führen und damit zur Tumorentstehung beitragen.
Metadata last modified: 19 Feb 2021 11:22