| License: Publishing license for publications including print on demand (2MB) |
- URN to cite this document:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-347615
- DOI to cite this document:
- 10.5283/epub.34761
Item type: | Thesis of the University of Regensburg (PhD) |
---|---|
Open Access Type: | Primary Publication |
Date: | 24 October 2016 |
Referee: | Prof. Dr. Ernil Hansen |
Date of exam: | 14 June 2016 |
Institutions: | Medicine > Lehrstuhl für Anästhesiologie |
Keywords: | Suggestionen, Armmuskelkraft, Placebo Nocebo klinisches Umfeld |
Dewey Decimal Classification: | 600 Technology > 610 Medical sciences Medicine |
Status: | Published |
Refereed: | Yes, this version has been refereed |
Created at the University of Regensburg: | Yes |
Item ID: | 34761 |
Abstract (German)
Patienten erleben im Krankenhaus eine Extremsituation und befinden sich in einem besonderen Bewusstseinszustand, den man als natürliche Trance beschreiben kann. In diesem Bewusstseinszustand ist die Wahrnehmung verändert und durch eine erhöhte Suggestibilität haben Worte eine größere Wirkung. Da im Krankenhausalltag häufig eine negativ geprägte Kommunikation überwiegt, wird der Patient mit vielen ...
Abstract (German)
Patienten erleben im Krankenhaus eine Extremsituation und befinden sich in einem besonderen Bewusstseinszustand, den man als natürliche Trance beschreiben kann. In diesem Bewusstseinszustand ist die Wahrnehmung verändert und durch eine erhöhte Suggestibilität haben Worte eine größere Wirkung. Da im Krankenhausalltag häufig eine negativ geprägte Kommunikation überwiegt, wird der Patient mit vielen negativen Suggestionen konfrontiert, die wiederum negative Auswirkungen haben z.B. auf Ängstlichkeit, Schmerzempfinden, Analgetikaverbrauch und Komplikationsrisiko des Patienten. Durch positive Suggestionen können dagegen die Schmerzschwelle hochgesetzt, Übelkeit und Ängstlichkeit verringert und sogar die hämodynamische Stabilität während OPs gestärkt werden. Um die Kommunikation im Krankenhaus zu verbessern und die Effekte von negativen Suggestionen zu vermeiden, muss die Wirkung von Suggestionen objektivierbar und überprüfbar gemacht werden.
Da psychische Faktoren, z.B. über Verspannungen, sich unmittelbar auf den Muskel auswirken und auch sprachliche und motorische Hirnareale in Zusammenhang stehen, erscheint die Muskelkraft als ein interessant zu untersuchender Messparameter, über den der Effekt der Suggestionen sichtbar gemacht werden könnte. Zudem ist die Stabilität der Muskelkraft im Heilungsprozess für den Patienten von Bedeutung und durch die Dynamometrie ist eine exakte und wissenschaftlich erprobte Methode zur Messung gegeben.
Methoden
Mit Ethikvotum und schriftlicher Einwilligung wurden 46 Probanden in die Studie aufgenommen. Zu verschiedenen, relevanten Themen aus dem klinischen Umfeld wurden jeweils zwei Suggestionen verwendet: eine zuvor als positiv und eine als negativ bewertete Version desselben Themas. Es wurden Suggestionen zu verschiedenen Themen der medizinischen Praxis in Form von Wortlisten, von Sätzen und Situationen, sowie nonverbale Suggestionen in Form von Bildern und Videoclips angeboten. Nach jeder gegebenen Suggestion wurde mittels eines Dynamometers die maximale Armmuskelkraft bei Abduktion des Armes um 90° gemessen, wobei die Position des Probanden über ein Band am Handgelenk und Markierungen am Boden genau definiert war. Die Ergebnisse des Muskeltests wurden relativ zu einem Ausgangswert angegeben, der aus einer Reihe von Messwerten ohne Gabe von Suggestionen gemittelt wurde. Zwischen den Messungen wurden Pausen gegen Ermüdung und Rechenaufgaben zur Löschung der Suggestionen eingesetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde in Gruppen die Suggestibilität der Probanden, wie in Suggestions- und Hypnosestudien üblich, mittels Harvard Group Scale of Hypnotic Susceptibility (HGSHS Form: A) getestet, um die Probanden entsprechend in niedrig-, mittel- und hochsuggestibel einzuteilen.
Zur statistischen Auswertung wurden Mittelwerte und Standardabweichungen, sowie der Median bei nicht normalverteilten Stichproben berechnet. Der Spearman-Rho-Test wurde zur Ermittlung möglicher Korrelationen verwendet. Die einzelnen Gruppen wurden auf die Gleichheit des Lageparameters mit dem Friedman-Test untersucht, bei signifikanten Ergebnissen wurde zudem der Wilcoxon - Test mit Bonferroni-Holm-Korrektur angewandt.
Ergebnisse
Die Suggestionen zeigten einen unmittelbaren Effekt auf die Muskelkraft. Alle negativen Suggestionen verminderten die Maximalkraft, die positiven erhöhten sie nicht signifikant zum Ausgangswert, jedoch zeigte sich in den meisten Fällen eine signifikante Steigerung der Kraft von der negativen Version A zur positiven Version B der Suggestion. Bei den Wortlisten wurden keine Effekte beobachtet. Die Sätze hatten zum Thema die Beruhigung des Patienten, die Symptomerfragung, die Narkoseeinleitung und die medizinische Aufklärung. Bei der Beruhigung des Patienten unterschieden sich die Ergebnisse beider Versionen nicht wesentlich. Die folgenden drei Suggestionspaare zeigten jeweils ähnliche Reaktionen: Die negative Version A rief eine signifikante Erniedrigung der Kraft hervor, während die Kraft bei der positiven Version B auf dem Ausgangsniveau blieb. Die Steigerung der Kraft von Version A zu Version B war in diesen drei Fällen signifikant. Die Situationen hatten von allen Suggestionen die stärksten Effekte. Die Vorstellung einer als negativ erlebten Situation in der Vergangenheit rief eine starke Verminderung der Kraft hervor. Bei der Erinnerung einer positiven Vergangenheit blieb die Kraft auf Ausgangsniveau. Die Erwartung einer ungewissen Zukunft führte ebenfalls zu einer signifikanten Erniedrigung der Muskelkraft, die durch die Fokussierung auf die Gegenwart wieder gehoben werden konnte. Bei beiden Situationspaaren war die Krafterhöhung von Version A auf Version B signifikant. Die nonverbalen, visuellen Suggestionen drehten sich um die Narkoseeinleitung, den Patiententransport im Krankenhaus und den Blick aus dem Krankenzimmer. Durch die negative Version wurde jeweils die Kraft signifikant vermindert. Die positiven Versionen der Narkoseeinleitung und des Patiententransports waren bezüglich der Armkraft neutral, bzw. bewirkten eine im Vergleich zu Version A signifikante Steigerung der Kraft auf Ausgangswertniveau. Die letzte Suggestion zum Blick aus dem Krankenzimmer bewirkte in der negativen sowie der positiven Version eine erniedrigte Kraft, beide unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Die Suggestibilitätsuntergruppen zeigten außer in wenigen Fällen keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse untereinander und zur Gesamtheit der Probanden. Auch ergab sich keine Korrelation zwischen der Reaktionsstärke des einzelnen Probanden und seinem Suggestibilitätsscore.
Diskussion
Negative Suggestionen riefen in fast allen Fällen eine Kraftverminderung hervor, positive Suggestionen keine Erhöhung der Kraft, jedoch meistens eine Wiederherstellung des Ausgangswertniveaus und eine Krafterhöhung im Vergleich zur negativen Version der Suggestion. Die Wortlisten zeigten keinen Effekt, sodass anzunehmen ist, dass Worte nur in einen Kontext eingebettet wirken. Die negativen Sätze riefen Kraftminderungen hervor. Flapsige, negativ konnotierte Ausdrücke, sowie nicht ernst gemeinte Floskeln zur vermeintlichen Beruhigung des Patienten sollten demnach vermieden werden. Stattdessen sollten Worte gewählt werden, die Sicherheit und Vertrauen fördern. Bei wichtigen Themen wie der Narkoseeinleitung und der medizinischen Aufklärung ist unumstritten, dass über Medikamentenwirkungen und Risiken aufgeklärt werden muss, jedoch lässt sich die Art der Aufklärung patientenfreundlicher gestalten, indem die Risiken genannt werden in Kombination mit dem Nutzen der Behandlung oder mit Maßnahmen zur Risikominderung etc. Die Situationen hatten den stärksten Effekt auf die Kraft, darunter die Vorstellung einer negativen Situation in der Vergangenheit. Patienten werden im klinischen Alltag immer wieder dazu aufgefordert, anamnestische Beschwerden, Befunde und Diagnosestellungen zu berichten, wodurch diese negativen Erinnerungen konsolidiert werden und eine Schwächung des Patienten hervorrufen können. Stattdessen sollten positive Erinnerungen und positive Vorstellungen der Zukunft, patienteneigene Ressourcen oder die Fokussierung auf das Hier&Jetzt gefördert und verstärkt werden. Auch für nonverbale Suggestionen zeigt sich, dass mit einfachen, geringen Veränderungen eine Schwächung des Patienten vermieden werden kann. Dass die positiven Suggestionen keine Steigerung der Kraft über das Maximalniveau hinaus bewirkten, könnte daran gelegen haben, dass schon die Vorstellung, sich in einem Krankenhaus zu befinden, eine negative Suggestion ist, die den positiven Effekt abschwächt.
Die Suggestibilität hatte keinen Einfluss auf die Reaktion der Probanden. So unterschieden sich die Suggestibilitätsuntergruppen der Hoch- und Niedrigsuggestiblen in ihren Ergebnissen nicht voneinander und auch die Reaktionsstärke des einzelnen Probanden korrelierte nicht mit dem Punktwert der Suggestibilität. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis darauf, dass wahrscheinlich persönliche Erfahrungen und Einstellungen eine größere Rolle spielen als die Suggestibilität des Patienten und dass Suggestionen für eine breite Allgemeinheit wirksam sind und nicht nur für eine Gruppe Hochsuggestibler.
Die klinische Relevanz der vorliegenden Studie ergibt sich zum einen daraus, dass es sich um verbreitete und repräsentative Suggestionen aus dem medizinischen Umfeld handelt, zum anderen daraus, dass ejne muskuläre Schwächung des Patienten für seine Sicherheit und Mobilisierbarkeit ungünstig ist. Die Dynamometrie erweist sich als eine einfache, exakte Methode, durch die Suggestionen und alternative Formulierungen getestet werden können. Somit können positive Suggestionen identifiziert werden, mit denen eine Verbesserung der Kommunikation im Krankenhaus ermöglicht wird. Neben der Verbesserung der Kommunikation ist die Erhaltung der Maximalkraft für Patienten im Krankenhaus von Bedeutung, um Komplikationen wie etwa Pneumonien oder Stürze zu verhindern. Durch die Verwendung von positiven Suggestionen kann außerdem ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis unterstützt, eine positive Atmosphäre im Krankenhaus ermöglicht und Wertschätzung für den Patienten und die Arbeit des Arztes und des Pflegepersonals geschaffen werden.
Translation of the abstract (English)
Patients in hospitals experience an extreme situation, and are therefore in a special state of consciousness that can be described as natural trance. In this special state, human perception is altered and due to a higher suggestibility the impact of words are increased. As negative communication predominates in daily hospital routine patients are confronted with a lot of negative suggestions. ...
Translation of the abstract (English)
Patients in hospitals experience an extreme situation, and are therefore in a special state of consciousness that can be described as natural trance. In this special state, human perception is altered and due to a higher suggestibility the impact of words are increased. As negative communication predominates in daily hospital routine patients are confronted with a lot of negative suggestions. These have negative influences on, amongst others, anxiety, sense of pain, use of analgesics and the complication risks of patients. By positive suggestions, the threshold of pain perception can be raised, nausea and anxiety can be reduced and even the hemodynamic situation during operations can be stabilized. To improve communication in hospitals and to avoid the impact of negative suggestions, the effect of suggestions has to be objectified and tested.
As psychological factors have an immediate impact on muscle (psychological tension will be seen in muscular tension), muscular performance seems to be an interesting measuring parameter to visualize the effect of suggestions. In addition, the stability of muscular performance is important for the healing process and the employed dynamometry is an exact and scientifically well-tested method.
Methods
46 volunteers were included in the study. Frequent suggestions from everyday clinical practice (words, sentences, situations, visual suggestions) were used as test items. A pair was created for each clinical situation: a positive and a negative version of the same suggestion were alternately presented to the test person and then the maximum muscular response of the deltoid muscle in 90 ° abduction was measured, expressed relative to baseline performance. Between the measurements, there would be a pause to prevent muscle tiring, and an easy arithmetic problem to erase the impact of the previous suggestion.
At a later date, the volunteers were tested in groups with the Harvard Group Scale of Hypnotic Susceptibility (HGSHS Form: A) and divided into three groups: low, medium and high suggestible. For the analyses, the arithmetic mean, standard deviation and median were used, with the Spearman-Rho-Test correlations were detected. The Friedman-Test and Wilcoxon-Test with Bonferroni-Holm-correction were used to test the differences between the groups and test items.
Results
Verbal and non-verbal suggestions including personal introduction, assessment of symptoms, risk information to obtain informed consent, the view from the patient's room, the transport within the hospital, the announcement of medical interventions, anticipation of the treatment, induction of anaesthesia, and the recollection of symptoms and negative memories of the illness and prior treatments produced significant effects on muscular performance. Negative suggestions impaired muscular strength, positive suggestions did not increase the strength significantly. In most cases, the increase of strength from the negative version A to the positive version B was significant. Lists of loose words showed no effect. Sentences, imagined situations and non-verbal suggestions had the described effects, the strongest effect was produced by the negative memories and expectations. High, medium and low suggestibility groups did not show significantly different results. The results of a test person did not correlate with his suggestibility scores.
Conclusions
This study describes a quick and simple test for maximal muscle strength that allows for identification, quantification, and comparison of negative suggestions, regardless of their specific content and effect. In addition, it facilitates development and verification of healthier alternatives to prevent nocebo and other adverse effects in patients and their treatment, thereby improving patient communication.
Negative suggestions mostly induced a decrease in strength, positive suggestions did not increase absolute muscular performance but would restore the baseline strength. The increase from negative version A to positive version B was significant in most cases. Word lists showed no effect, so that we think that words only take effect in context. The negative sentences decreased muscular performance. Non-serious or negative connoted expressions should not be used. On the contrary, words that promote confidence and safety should be chosen. Important themes are the announcement of medical interventions or the risk information. It is indisputable that all risks must be explained but by mentioning the risks in combination with the advantage of the procedure or with the measures taken to reduce the risks it can be managed more patient-friendly. Imagining a negative situation in the past had the strongest effect of all. In clinical daily routine, patients are requested to recall anamnestic disorders and diagnostic findings so that these negative memories are consolidated and can induce a weakening of the patient. On the contrary, positive memories and a positive imagination of the future should be supported just as patients should focus on their resources and the present. That positive suggestions could not increase muscular strength above baseline could possibly be explained by the fact that the suggestion to be a patient in a hospital per se is a negative suggestion that extenuates the positive effect.
Suggestibility had no effect on the reaction of a patient. The suggestibility groups (low/medium/high) had no significantly different results. The magnitude of the reaction did not correlate with the HGSHS score of a test person. This finding could indicate that personal experience and attitude have a bigger impact than the suggestibility of a patient, and that suggestions are effective for a broad majority of people and not only for a group of highly suggestible persons.
The study has a clinical relevance, because the tested suggestions are widely and often used in medical daily routine. A second point is that the muscular impairment of patients is disadvantageous for his or her safety and degree of mobilization.
With dynamometry as a simple and exact method, suggestions and alternative phrases can easily be tested. Positive suggestions can thus be identified and used to improve communication in hospitals. The maintenance of a maximal strength is also important to avoid complications like pneumonia and falls. By using positive suggestions, we can also encourage a trustful doctor-patient-relationship, support a better working atmosphere in hospitals and help to value the patient and the work of health care professionals.
Metadata last modified: 25 Nov 2020 21:57