Abstract
In den modernen Migranten- oder Minderheitenfamilien wird bei erfolgreich integrierten Erstsprachlernern mit der Sprache des (neuen) Heimatlandes die höchste Kompetenz identifiziert; ihre Kinder erwerben sprachliche Fähigkeit vor allem in der neuen Landessprache, während die Entwicklung der Muttersprache immer mehr und mehr stagniert. Aber in dieser Situation stellt sich automatisch die Frage, ...
Abstract
In den modernen Migranten- oder Minderheitenfamilien wird bei erfolgreich integrierten Erstsprachlernern mit der Sprache des (neuen) Heimatlandes die höchste Kompetenz identifiziert; ihre Kinder erwerben sprachliche Fähigkeit vor allem in der neuen Landessprache, während die Entwicklung der Muttersprache immer mehr und mehr stagniert. Aber in dieser Situation stellt sich automatisch die Frage, wie sich eine bestimmte ursprüngliche Muttersprache mit ihren Strukturen auf die Welterfahrung, auf's Denken und die Mentalität der betreffenden Migrantengruppe/Minderheitengruppe auswirkt. In der Sprachwissenschaft besagt die Sapir-Whorf-Hypothese, dass die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, stark durch die Struktur seiner Muttersprache beeinflusst oder bestimmt wird. Wenn wir von diesem linguistischen Determinismus ausgehen, folgt daraus z. B. die prinzipielle Unbenutzbarkeit einiger Leselehrmethoden, ganz besonders in dem Fall, wenn ein Erstsprachler-Kind mit agglutinierender (finnischer, ungarischer, türkischer) Muttersprache bei dem deutschen Schriftspracherwerb die analytische Methode (Ganzwort-Methode, Ganzsatz-Methode oder Normalsatz-Methode) lernt. Die Schere zwischen den schulischen Leistungen dieser Kinder und den Lernfortschritten der Muttersprachkinder öffnet sich immer weiter, und das Selbstvertrauen wird immer geringer, die Aggressivität jedoch immer größer. Bald werden sie als sog. „Kinder mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen“ bzw. „von Behinderung bedrohte Kinder“ in sozialpädiatrischen Zentren fachlich und medizinisch unter ständiger ärztlicher Aufsicht untersucht – völlig sinnlos und fehlinterpretiert.
Vom Verfasser gewidmet für Prof. Dr. Ralf-Peter Ritter (1938-2011)
Ungarnsprachiger Aufsatz