Zusammenfassung (Deutsch)
Das Bardet-Biedl Syndrom (BBS, OMIM 209900) ist eine multisystemische Erkrankung, die durch eine Dysfunktion ziliärer Strukturen verursacht wird. Für den Phänotyp sind Retinitis pigmentosa, postaxiale Polydaktylie, Adipositas, Hypogonadismus bei Männern, komplexe urogenitale Fehlbildungen bei Frauen und Nierenfehlbildungen als Kardinalsymptome charakteristisch. Zusätzlich besteht ein vermehrtes ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Das Bardet-Biedl Syndrom (BBS, OMIM 209900) ist eine multisystemische Erkrankung, die durch eine Dysfunktion ziliärer Strukturen verursacht wird. Für den Phänotyp sind Retinitis pigmentosa, postaxiale Polydaktylie, Adipositas, Hypogonadismus bei Männern, komplexe urogenitale Fehlbildungen bei Frauen und Nierenfehlbildungen als Kardinalsymptome charakteristisch. Zusätzlich besteht ein vermehrtes Auftreten von mentaler Retardierung, Bluthochdruck, Taubheit, angeborenen Herzfehlern und Diabetes mellitus.
Bisher sind 16 BBS-Gene (BBS1-BBS16) identifiziert. Verschiedene Genotypen von BBS-Patienten geben Hinweise, dass das BBS nicht ausschließlich klassisch autosomal-rezessiv, sondern digen-triallelisch oder oligogen vererbt wird. Das vielfältige klinische Erscheinungsbild des Syndroms lässt vermuten, dass unterschiedliche Kombinationen von Mutationen in mehr als einem BBS-Gen Einfluss auf die Ausprägung des Phänotyps haben. Dies zeigt sich auch bei den Schwestern der Kasuistik dieser Arbeit.
Mutante Allele treten in einer europäischen Population im BBS2-Gen mit einer Häufigkeit von 5,4 % und in BBS4 mit 5,8 % bezogen auf BBS1-12 auf (Muller et al. 2010). Nach BBS1, BBS10 und BBS12 ist BBS4 das Gen mit der höchsten Frequenz für mutante Allele. Außerdem sind BBS2 und BBS4 häufig an der von Katsanis und Mitarbeiter (2004) postulierten digen-triallelsichen oder oligogenen Vererbung beteiligt. Aus den Studien der Marburger Arbeitsgruppe lagen bereits Mutationsanalysen zu den Genen BBS1, BBS6 und BBS10 vor. Daher war die Fragestellung dieser Studie, ob es im Marburger Patientenkollektiv von 65 klinisch diagnostizierten BBS-Patienten (57 Deutsche und 8 Türken) Hinweise für einen digenen oder oligogenen Vererbungsmodus im Zusammenhang mit den Genen BBS2 und BBS4 gibt. Die molekulargenetische Analyse umfasste die Exons 1–6, 8–10, 12 und 14–16 in BBS2 und alle 16 Exons in BBS4. Als Screeningmethode wurde die single-stranded-conformational analysis (SSCA) angewandt. Insgesamt wurden in BBS2 mittels SSCA vier auffällige DNA-Fragmente gefunden, die anschließend mit einer Sequenzanalyse weiter untersucht wurden. Zusammenfassend zeigte sich in BBS2 eine Sequenzvariante in Exon 15, c.1870C>T (p.R624X), die in der Literatur bisher nicht beschrieben wurde. Die Mutation hat in der Aminosäuresequenz ein Kettenabbruch an der Stelle 624 zur Folge. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie bei der betroffenen Patientin 2094 krankheitsauslösend ist, da sie in heterozygoter Form vorliegt.
In BBS4 wurden mittels SSCA in Exon 3 DNA-Fragmente mit einem aberranten Laufverhalten im Sinne eines Polymorphismus gefunden. Die Sequenzanalyse von vier PCR-Produkten, die jeweils eine Variante des Polymorphismus repräsentierten, ergab keine Mutation.
Die Mutationshäufigkeit in BBS2 und BBS4 ist in dieser Studienpopulation im Vergleich zu den internationalen Daten zu niedrig. Mit einer Häufigkeit von mutanten Allelen von 5,4 % in BBS2 und in BBS4 mit 5,8 % hätten pro Gen 3-4 Mutationen gefunden werden müssen.
Insgesamt wurden durch die Marburger Arbeitsgruppe fünf (BBS1, BBS2, BBS4, BBS6 und BBS10) von 12 BBS-Genloci, die zum Zeitpunkt der praktischen Durchführung dieser Arbeit bekannt waren, analysiert. Die Ergebnisse wurden in dieser Studie zusammenfassend analysiert (Tabelle 5-2). Es ließen sich bei keinem Patienten mutante Allele in mehr als einem BBS-Gen nachweisen. Dies schließt aber digen-triallelische oder oligogene Mutationsträger nicht aus, da möglicherweise methodenbedingt Mutationen übersehen wurden oder weitere Mutationen in den nicht untersuchten BBS-Genen liegen. Für die Suche digen-triallelischer oder oligogener Mutationsträger in dem Marburger Patientenkollektiv, müssten in weiterführenden Studien alle 16 BBS-Gene analysiert werden. Methodisch bieten sich dazu aktuell die DNA-Chip-Technologie, mit der Einschränkung, dass nur bekannte Mutationen detektiert werden oder das Next Generation Sequencing an.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The autosomal recessively inherited Bardet-Biedl syndrome (BBS, OMIM 209900) is a disorder affecting primary cilia and microtubule-based structures arising from the basal body. These cell structures are involved as mechanosensors in kidney epithelium, photoreceptor cells of the retina and in the developmental phenomenon of planar cell polarity. The syndrome is phenotypically characterized by ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The autosomal recessively inherited Bardet-Biedl syndrome (BBS, OMIM 209900) is a disorder affecting primary cilia and microtubule-based structures arising from the basal body. These cell structures are involved as mechanosensors in kidney epithelium, photoreceptor cells of the retina and in the developmental phenomenon of planar cell polarity. The syndrome is phenotypically characterized by postaxial polydactyly, retinopathy, obesity, hypogonadism in males, renal dysfunction and variable mental deficiency. Over the past years it has become obvious that BBS is genetically heterogeneous with several genes (BBS1-BBS16) involved. Molecular analyses have shown that some individuals need mutations in more than one BBS locus for clinical manifestation. Therefore BBS is currently regarded as a disorder with digenic or even oligogenic inheritance. Most mutations are private mutations in the respective individual and his family. Mutant alleles occur in a European population in the BBS2 gene with an incidence of 5.4% and 5.8% in the BBS4 gene. After BBS1, BBS10 and BBS12 is BBS4 the gene having the highest frequency of mutant alleles. We screened a sample of 65 BBS patients for BBS mutations in BBS2 and BBS4. In conclusion we detected one sequence variant in BBS2 exon 15, c.1870C> T (p.R624X), which has not been described in the literature. No mutations were found in BBS4. The frequency of mutation in BBS2 and BBS4 in this study population compared to the international data is too low. With a frequency of mutant alleles of 5.4% in BBS2 and 5.8% in BBS4 3-4 mutations per gene should have been found. In addition we could not find any prove for the loci BBS1, BBS2, BBS4, BBS6 and BBS10 to be involved in digenic or oligogenic inheritance.