| Lizenz: Veröffentlichungsvertrag für Publikationen ohne Print on Demand (12MB) |
- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-308527
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.30852
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
---|---|
Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 7 Oktober 2014 |
Begutachter (Erstgutachter): | PD Dr. Christoph Wiese |
Tag der Prüfung: | 15 September 2014 |
Institutionen: | Medizin > Lehrstuhl für Anästhesiologie |
Stichwörter / Keywords: | spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Patientenverfügung, Palliativmedizin, Rettungsdienst, Notfallmedizin, specialised ambulant palliative care services (SAPV), patient's provision, palliative medicine, emergency medical service, emergency medicine |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 30852 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Durch die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, wird es Menschen mit terminaler Erkrankung vermehrt ermöglicht, ihre letzten Lebenstage in häuslicher Umgebung zu verbringen. Hierbei können jedoch akute Krisen auftreten, denen sich Patient und dessen Angehörige nicht gewachsen fühlen und deswegen den Rettungsdienst einschalten. Ziel dieser Untersuchung war es, ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Durch die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, wird es Menschen mit terminaler Erkrankung vermehrt ermöglicht, ihre letzten Lebenstage in häuslicher Umgebung zu verbringen. Hierbei können jedoch akute Krisen auftreten, denen sich Patient und dessen Angehörige nicht gewachsen fühlen und deswegen den Rettungsdienst einschalten.
Ziel dieser Untersuchung war es, darzustellen, inwieweit sich ÄLRD mit der Palliativmedizin und insbesondere mit palliativen Notfällen beschäftigen, ob eine flächendeckende Palliativversorgung bereits verwirklicht ist und wie Palliativpatienten auf eine ambulante Palliativversorgung vorbereitet werden sollen. Außerdem wurde erhoben, in welchen Notfallsituationen eine Kooperation mit einem SAPV Team sinnvoll ist. Ein weiterer Fokus lag auf der Einstellung von Notfallmedizinern zu konkreten Handlungshilfen im Sinne eines Merkmalskatalogs zur Identifikation eines Palliativpatienten. Ob, und welche palliativmedizinischen Fortbildungen stattfinden sollten, wurde ebenfalls näher betrachtet. Insbesondere wurde der Umgang mit Palliativpatienten bei vorhandener Patientenverfügung näher betrachtet und eruiert, wie Notärzte mit Patientenverfügungen in einem akuten Notfall umgehen. Außerdem wurde analysiert, inwieweit das Vorhandensein eines Betreuers am Einsatzort Einfluss auf die Handlungsentscheidungen hat. Hierzu wurden als Vergleichsbasis Daten aus einer Notarztausbildungsumfrage in Göttingen verwendet.
Dass eine gewisse Auseinandersetzung mit palliativmedizinischen Aspekten in der Notfallmedizin besteht, war durch die bei fast allen ÄLRD (96,5%) bekannte Einführung des Patientenverfügungsgesetzes zum 01.09.2009 zu erkennen. Auch bei der freien Definition eines Palliativpatienten nannten die meisten Notärzte die grundlegenden Merkmale eines Palliativpatienten. 59,3% der ÄLRD waren der Meinung, dass diese von der wahrscheinlichen Lebenserwartung des Patienten abhängt. Weitere häufig genannte Identifikationsaspekte eines Palliativpatienten hatten eine nicht kurativ behandelbare Erkrankung, Symptomkontrolle als Schwerpunkt der medizinischen Betreuung, begrenzte Lebenserwartung und eine weit fortgeschrittene Grunderkrankung zum Inhalt. Damit waren die Kernelemente der Definition der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin den Notärzten bekannt. Eine besondere Zusatzausbildung wurde jedoch nur von einem Bruchteil der ÄLRD absolviert. Eine Unterschätzung der Wichtigkeit palliativmedizinischer Inhalte konnte auch aus der Unterschätzung der palliativmedizinisch orientierten Rettungsdiensteinsätze gefolgert werden. Während in Deutschland 2,5-5% der Rettungsdiensteinsätze palliativmedizinisch orientiert sind, gaben die ÄLRD in der Mehrheit einen Anteil von nur 1% an.
Eine mangelnde flächendeckende Umsetzung der ambulanten Palliativversorgung in Deutschland wurde daraus ersichtlich, dass die Hälfte der Ärzte, welche die Kooperation zwischen dem Palliativnetzwerk Osthessen und dem Rettungsdienst Fulda kannte, ein solches Projekt in ihrer Region aufgrund eines fehlenden SAPV Teams für nicht umsetzbar hielten. Insgesamt stand in 43,0% der Versorgungsbereiche ein spezialisiertes palliativmedizinisches Team zur Verfügung und in 36,6% dieser Bereiche existierte bereits eine Zusammenarbeit zwischen SAPV Teams und Rettungsdienst. Das zeigt, dass sofern eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit bestand, diese auch gerne wahrgenommen wurde. Im Gegensatz zu SAPV Teams waren Hospize und Palliativstationen deutlich weiter verbreitet (82,6% der Rettungsdienstbereiche). Eine Kooperation mit dem Rettungsdienst bestand bei diesen wohl aufgrund der permanent vorhandenen Fachkräfte in deutlich geringerem Ausmaß (21,2%). Gerade in der Vorbereitung eines Palliativpatienten auf eine Versorgung zu Hause wurden alle Maßnahmen von den ÄLRD in der Mehrheit als wichtig erachtet. Insbesondere die eindeutige Erkennbarkeit eines Palliativpatienten als solchen, das Definieren medizinischer Handlungsziele und die Erstellung einer Patientenverfügung wurde von mehr als Dreiviertel der Befragten als „absolut wichtig“ eingeschätzt. Auch eine Notfallmedikamentenempfehlung und eine Verfügbarkeit dieser Medikamente vor Ort erachteten mehr als 80% für sinnvoll. Ein palliativmedizinischer Ansprechpartner, welcher auch im Notfall erreichbar ist, wurde sogar von mehr als 90% als nötig eingeschätzt. Für die Zusammenarbeit mit einem SAPV Team wurden insbesondere eine Gewährleistung der häuslichen Patientenversorgung und die Sterbebegleitung gewählt. Für Beides ist die Notfallmedizin weder zuständig, noch ausgebildet, noch kann dies vom Rettungsdienst zeitlich gewährleistet werden. Deswegen ist gerade hier eine Kooperation von SAPV und Notfallmedizin erforderlich.
Die Frage nach dem Für und Wider eines Merkmalskatalogs zur schnellen Identifizierung von Palliativpatienten wurde nicht eindeutig beantwortet. Während 52,3% der ÄLRD einen Merkmalskatalog als nicht hilfreich einschätzten, befürworteten einen solchen 47,7%. Einen Notfallbogen dagegen, welche denselben Inhalt hätte wie ein Merkmalskatalog, würden 96,5% der Ärzte für sehr hilfreich erachten und 97,7% nahmen an, dadurch schneller dem Willen des Patienten entsprechend handeln zu können.
Die Inhalte und der Umgang mit solchen Checklisten könnten in speziellen Weiterbildungen für Rettungsdienstpersonal vermittelt werden. Jedoch fanden nur in etwa einem Drittel der Rettungsdienstbereiche Schulungen, in denen die Therapie von Symptomexazerbationen und der Umgang mit Palliativpatienten und deren Angehörigen vermittelt werden, statt. Dort waren diese meist bereits in die Ausbildung integriert. Fortbildungsmaßnahmen, welche sich mit dem Umgang mit Patientenverfügungen beschäftigten wurden für Notärzte (80,2%) verglichen mit den Rettungsassistenten (62,8%) als wichtiger eingeschätzt. Auch Schulungen über Therapieentscheidungen am Lebensende wurden für Notärzte (79,1%) sinnvoller gehalten als für Rettungsassistenten (51,2%). Dies ist vermutlich den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland geschuldet, in denen Rettungsassistenten keine Befugnis für Entscheidungen zum Unterlassen beziehungsweise Beenden von lebensverlängernden Maßnahmen eingeräumt werden. Schulungen mit einem Schwerpunkt auf der psychosozialen Betreuung von Palliativpatienten und deren Angehörigen wurden tendenziell für Rettungsassistenten (67,4%) häufiger als „sehr sinnvoll“ eingestuft als für Notärzte (64%).
In keinem der Bereiche wurde ein Simulationstraining angeboten, obwohl v.a. durch Rollenspiele die nötigen kommunikativen Fähigkeiten und die Handlungskompetenz zur psychosozialen Betreuung vermittelt werden könnten. Gerade bei palliativmedizinischen Notfällen, in denen der Patient und die Angehörigen psychisch stark belastet sind, ist es wichtig darauf vorbereitet, wie man am besten mit den Beteiligten umgeht und Therapieentscheidungen vermittelt.
Welche Therapien Notfallmediziner bei einem palliativmedizinischen Einsatz, in dem eine vom Betreuer bestätigte Patientenverfügung vor Ort ist, durchführen bzw. ablehnen, wurde meist eindeutig beantwortet. Ein Großteil der Ärzte würde auf eine mechanische oder medikamentöse Reanimation verzichten, keine Intubation durchführen und auch keine kreislaufstützende Pharmakotherapie durchführen und damit dem Willen des Patienten entsprechend seiner Patientenverfügung nachkommen. Eine nicht invasive Beatmung und eine Sauerstoffgabe über Maske lehnten in etwa ein Fünftel der Befragten ab. Eine symptomatische und schmerzlindernde Therapie schätzten mehr als 80% für richtig ein. Somit ist die korrekte Umsetzung der Patientenverfügung unter Einhaltung palliativmedizinischer Ziele in den meisten Fällen gewährleistet.
Im Vergleich der beiden Datensätze stellte sich heraus, dass das Vorhandensein eines Betreuers v.a. auf das Durchführen einer mechanischen Reanimation und einer kreislaufstützenden Pharmakotherapie Auswirkungen hat. In beiden Fällen entschieden sich die Ärzte, bei denen im Fallbeispiel ein Betreuer vor Ort war, häufiger zum Unterlassen der jeweiligen Maßnahmen als bei alleinigem Vorliegen einer Patientenverfügung, ohne Bestätigung durch einen Dritten.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
With the implementation of specialised ambulant palliative care services (SAPV), increased numbers of patients with terminal diseases are enabled to spend their remaining days at home. However, incidences of acute crisis are possible which patients and relatives cannot cope with and emergency services are called. This explorative study wants to display to which extent chiefs of emergency ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
With the implementation of specialised ambulant palliative care services (SAPV), increased numbers of patients with terminal diseases are enabled to spend their remaining days at home. However, incidences of acute crisis are possible which patients and relatives cannot cope with and emergency services are called.
This explorative study wants to display to which extent chiefs of emergency services (ÄLRD) are engaged in palliative medicine and in palliative emergencies in particular, whether an area-wide palliative patient-centred care is in service and how palliative patients should be prepared for ambulant care services. In addition, it was enquired in which emergency situations cooperations with SAPV teams make sense. A further focus of the study lay on the attitudes of emergency physicians with respect to concrete action aids like attribute catalogues for the identification of palliative patients. Another aspect was whether palliative care training should take place and which aspects should be covered. One important area of study was the handling of palliative patients if a patient´s provision is available and how emergency physicians deal with it in an emergency situation.
In the same context, the presence of a legal custodian at the emergency site of action and their influence regarding the decisions of action was analysed. Therefore, a comparative data set of emergency physicians in training (NiA), queried in Göttingen, was utilised. The results of this explorative enquiry is presented with respect to the differences between these two groups.
To a certain extent, ÄLRD concern themselfes with aspects of palliative care, this can be seen in the fact that nearly all of them (96.5%) knew about the introduction of the German law of patient’s provision (Patientenverfügungsgesetz) on 1st of September 2009. When asked to define a palliative patient, most of the emegency physicians mentioned central aspects: 59.3% of the ÄLRD had the opinion that the probable life expectancy of the patient is defining. Other aspects mentioned were a non-curative illness, emphasis on symptom control in medical care and an advanced stage of the terminal illness. This showed knowledge of the core elements of the definition stated by the German association for palliative care. A special training regarding palliative care was only observed in a fraction of all queried ÄLRD.
Keeping this in mind, the underestimation of the relevance of palliative contents was puzzling. This can be seen in the fact that the proportion of occurrence of palliative orientated emergency operations guessed by the ÄLRD diverges from the real numbers. In Germany, approximately 2.5% to 5% of all emergency operations have palliative content, the ÄLRD estimated the amount of these operations to be only 1%.
Furthermore, a deficit in nationwide implementation of ambulant palliative care in Germany is apparent in the fact that about half of all queried ÄLRD which knew about the cooperation of the palliative network of east Hesse with the emergency medical service of Fulda regarded such a project as not realisable in their region. Overall, in 43% of all service areas a specialised team was available and 36.6% of these areas realised a cooperation of SAPV teams and emergency services. This shows that if a cooperation was possible, it was implemented. In stark contrast to the coverage of SAPV teams, hospices and palliative care stations were widespread (82.6% of all service areas). However, a cooperation with emergency services was much less likely (21.2% of all service areas) presumably because of the specialised palliative personal of these areas.
Especially concerning the preparation of a palliative patient´s care service at home, all arrangements were rated as important by ÄLRDs: The identification of a patient as palliative patient, the definition of medical action goals and the creation of a legal patient´s provision was rated “absolutely important“ by three quarters of the ÄLRD. An emergency drug advisory plan and easy local availability of these drugs was rated “beneficial“ by more than 80%. A contact person for palliative care, which would be accessible in emergency situations, was rated necessary by more than 90%. Furthermore, important aspects of a SAPV team, the guarantee of in home palliative care and terminal care were chosen. For both aspects, emergency medicine is neither responsible nor the right training, nor can this be achieved in time by the emergency service. Therefore, a cooperation of SAPV teams and emergency medicals is necessary.
The question about the pros and cons of an attribute catalogue of palliative patients for quick identification could not be brought to a simple solution. While 52.3% of the ÄLRD saw such a catalogue as not helpful, 47.7% of them advocated it. Nevertheless, an emergency sheet with the same content was rated as helpful by 96.5% and 97.7% assumed they could direct their action more quickly according to the patients will.
Content and application of such checklists could be taught in special seminars to emergency services personal. However, in only one third of all emergency medical service areas trainings about the therapy of symptom exacerbations and the interaction with palliative patients and their relatives were offered. Mostly, these were integrated in basic trainings. Further training was rated less important for emergency medical service personnel (62.8%) than for emergency physicians (80.2%). Trainings about therapy decisions at life’s end followed the same trend (79.1% emergency physicians vs. 51.2% emergency medical service personnel). These ratings are due to the legal situation in Germany, where emergency personnel have no authority of forbearance or ending of life serving provisions. Trainings concerning psychosocial care of palliative patients and their relatives were rated more beneficial for emergency personnel (67.4%) than for emergency physicians (64%) by trend.
In none of the service areas, simulation trainings were offered, although especially communicative skills and action competencies for psychosocial care are trained best by role plays. Especially in palliative emergencies when patients and relatives are under psychic pressure, it is very important for the emergency personnel to know how to handle the participants and communicate therapy decisions.
To further investigate the actions and decision of the ÄLRD and emergency physicians in training (NiA) in an emergency situation, a case example was formulated. In this case example, an emergency physician should imagine coming to a palliative on site operation where a custodian with a patient’s provision is available. In this case, the conduct and refusal of different aspects of therapy were answered clearly. A larger part of the physicians would not conduct mechanical or drug based reanimation, would not intubate or back up circulation with pharmaceuticals and therefore comply with the patient´s will and provision. About 20% of all queried physicians refused non-invasive intubation as well as oxygen supply via mask. A symptom related or pain-relieving therapy war rated as adequate by 80%. Therefore a correct implementation of the will in the patient’s provision with consideration of palliative goals is ensured in most of the cases.
When comparing the two data bases, ÄLRD and NiA, especially the existence of a legal custodian and patient’s provision had an influence on the implementation of mechanical reanimation and back up of circulation with pharmaceuticals. Most of the physicians answered in this example case that if a custodian was on site, that they were more likely to forbear measures which would be implemented if only a legal patient´s provision was available which could not be backed up by a third person.
The study shows important aspects of the ambulant palliative care situation in Germany. Overall, the ambulant aspect is not implemented nationwide and there are gaps in knowledge about palliative care.
Metadaten zuletzt geändert: 26 Nov 2020 00:42