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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-360485
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.36048
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 14 August 2017 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. med Julika Loss |
Tag der Prüfung: | 2 August 2017 |
Institutionen: | Medizin > Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin > Medizinische Soziologie |
Stichwörter / Keywords: | Sozialkapital, Traumaversorgung, Polytrauma, TraumaNetzwerk, interklinische Zusammenarbeit, qualitative Studie; social capital, trauma care, multiple trauma, trauma network, inter-hospital cooperation, qualitative study |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 300 Sozialwissenschaften > 300 Sozialwissenschaften, Soziologie 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 36048 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Hintergrund: In der heutigen Zeit gewinnt der Zusammenschluss von Kliniken zu regionalen Verbünden zunehmend an Bedeutung. Auch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ist von dieser Entwicklung nicht verschont geblieben und hat im Jahre 2006 die Bildung von regionalen TraumaNetzwerken initiiert. Laut von der DGU herausgegebenem Weißbuch der Schwerverletztenversorgung sollten sich ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Hintergrund: In der heutigen Zeit gewinnt der Zusammenschluss von Kliniken zu regionalen Verbünden zunehmend an Bedeutung. Auch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ist von dieser Entwicklung nicht verschont geblieben und hat im Jahre 2006 die Bildung von regionalen TraumaNetzwerken initiiert. Laut von der DGU herausgegebenem Weißbuch der Schwerverletztenversorgung sollten sich Kliniken in einem Gebiet insbesondere zur Optimierung der Versorgung von Polytraumatisierten organisieren und miteinander kooperieren und so auch eine Standardisierung und letztlich Verbesserung in der Behandlung der betroffenen Patienten erreicht werden.
Ein TraumaNetzwerk beinhaltet in der Regel mindestens ein überregionales Traumazentrum, mehrere regionale Traumazentren und Kliniken der Regelversorgung, sogenannte lokale Traumazentren. Kennzeichen eines TraumaNetzwerks sind unter anderem die Formulierung von standardisierten Behandlungsabläufen und Verlegungskriterien, gemeinsame Ausbildungsprogramme und Qualitätszirkel sowie die Einrichtung von Telekommunikation. Das TraumaNetzwerk Ostbayern (TNO) ist das erste in Deutschland zertifizierte und zum Zeitpunkt der Datenerhebung – mit 26 beteiligten Kliniken – eines der größten von 49 in der Bundesrepublik und grenzüberschreitend existierenden TraumaNetzwerken. Bislang ist nicht untersucht worden, inwieweit die mit der Auditierung und Zertifizierung verbundenen strukturellen, organisatorischen oder personellen Veränderungen in den jeweiligen Kliniken aufgenommen wurden, ob es Probleme bei der Umsetzung der Vorgaben gab und wie eine möglicherweise neu entstandene Kooperation die Qualität sozialer Beziehungen innerhalb dieser Netzwerke verändert und Patientenversorgung oder Motivation der Teilnehmer
beeinflusst. Letzteres lässt sich durch das Konzept des social capital erfassen; dies beschreibt die Ressourcen, die durch die Teilhabe an einem Netz sozialer Beziehungen entstehen können. Social capital ist klassischerweise in Regionen und Nachbarschaften analysiert, bislang aber nicht auf Klinikverbünde angewendet worden.
Methodik: Für die Studie wurden semi-standardisierte face-to-face-Interviews mit den verantwortlichen unfallchirurgischen Ärzten von 23 der insgesamt 26 beteiligten Kliniken des TNO geführt. Erfragt wurden unter anderem intraklinische Veränderungen im Rahmen der TraumaNetzwerk-Mitgliedschaft, die Struktur der Zusammenarbeit, Entscheidungswege, die Identifikation mit dem Netzwerk, Reziprozität und Vertrauen sowie gemeinsames Agieren. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert, anonymisiert und mittels systematischer
Inhaltsanalyse ausgewertet. Ein Ethikvotum durch die Universität Regensburg war zuvor eingeholt worden.
Ergebnisse: Als Ergebnisse dieser Erhebung lassen sich festhalten, dass die Teilnahme am TraumaNetzwerk die Behandlungsabläufe verändert hat, vor allem durch Einführung fester Algorithmen. Insbesondere lokale Traumazentren haben zudem eine materielle Aufrüstung erfahren. Der Austausch innerhalb des Netzwerkes findet hauptsächlich in vierteljährlichen TNO-Treffen oder Qualitätszirkeln aller Klinikvertreter statt, darüber hinaus vereinzelt in bilateralen Kontakten zwischen Kliniken. Die Entscheidungswege werden als transparent bewertet, die Mitglieder fühlen sich mehrheitlich gehört und eingebunden, was insbesondere auf den integrierenden Leitungsstil des TNO-Koordinators und das offene, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Klima in der Gruppe zurückgeführt wird. Die meisten Interviewpartner bestätigen die Entwicklung eines gewissen Gemeinschaftsgefühls nach dem Motto ‚Wir Unfallchirurgen in Ostbayern‘, die Ausbildung eines Vertrauensverhältnisses untereinander sowie das Verfolgen gemeinsamer Ziele. Eine Kerngruppe hat sich zudem zu gemeinsamem berufspolitischem Engagement zusammengeschlossen. Nur wenige Interviewpartner geben an, medizinisch nicht zu profitieren oder sich in Versorgungsaspekten gelegentlich bevormundet zu fühlen. Nahezu alle interviewten Ärzte empfinden die Bildung eines Netzwerks subjektiv als eine Verbesserung in der Patientenversorgung, insbesondere die lokalen Kliniken, was hauptsächlich auf die Standardisierung in Abläufen und Ausbildung zurückgeführt wird. Die Verlegungspraxis habe sich insgesamt jedoch kaum geändert. Durch erleichterte Kommunikation und ein gewachsenes Zusammengehörigkeitsgefühl steige aber größtenteils
die ärztliche Zufriedenheit.
Diskussion: In der vorliegenden Studie konnte somit nachgewiesen werden, dass der Zusammenschluss unfallchirurgischer Kliniken zu einem regionalen TraumaNetzwerk zur Entstehung von social capital geführt hat, indem Vertrauen untereinander aufgebaut werden konnte und eine gemeinsame Kultur und Identität entstanden ist. Allerdings bleibt trotz der Kooperation eine Konkurrenz zwischen örtlich nahen Häusern bestehen. Die Ausbildung von social capital hängt dabei offensichtlich stark von der Leitung des TraumaNetzwerks ab, so dass vergleichende Untersuchungen in entsprechenden Pendants deutschland- wie weltweit sinnvoll erscheinen.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Background: Inter-hospital alliances and networks have become increasingly popular in the contemporary healthcare sector. A well-known example for inter-hospital co-operation is the development of “regional trauma networks”, which was initiated by the German Society for Trauma Surgery (DGU) in 2006. Within these trauma networks, several trauma care units jointly organise the care of multiple ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Background: Inter-hospital alliances and networks have become increasingly popular in the contemporary healthcare sector. A well-known example for inter-hospital co-operation is the development of “regional trauma networks”, which was initiated by the German Society for Trauma Surgery (DGU) in 2006. Within these trauma networks, several trauma care units jointly organise the care of multiple trauma patients in a specific area, with the aim of streamlining and improving the treatment of multiple trauma, and of transferring patients to the hospital best suited to the kind of injuries.
A trauma network consists of at least one supra-regional trauma centre, some regional trauma centres and hospitals of standard care (‘local trauma centres’); all of those need to be audited according to a set of quality criteria. In the trauma network, trauma units develop standard treatment protocols and criteria for patient transferral, initiate joint education programmes and quality circles as well as the installation of telemedicine. The Trauma Network East Bavaria (TNO) is the first to be certified in Germany and one of the largest of the 49 existing trauma networks in Germany, consisting of 26 participating hospitals (at the time of data collection). It has not been studied yet which consequences the participation in the trauma network has for the individual hospitals (e.g. structural, organisational or personal changes), which barriers occurred in the auditing process, and how social relations within the network may influence patient care or motivation of their participants. The last aspect can be covered by the concept of ‘social capital’. Social capital describes resources which can originate from participation in a social network. Social capital has traditionally been analysed in regions and neighbourhoods so far, but has not been applied to inter-hospital alliances yet.
Methods: In an explorative qualitative study, we conducted semi-structured face-to-face interviews with representatives of 23/ 26 trauma clinics belonging to the TNO. The interview guide covered, among others, the intra-clinical changes that occurred as result of the trauma network membership in each hospital, as well as the cooperation, hierarchy, decision-making processes, reciprocity and trust within the trauma network, and collective activities resulting from the cooperation. The interviews were recorded, transcribed, anonymised and analysed using systematic content analysis.
Results: The interviews showed on the level of the individual hospital, the participation in the trauma network TNO mainly resulted in process changes, i.e. the introduction of treatment algorithms for multiple trauma patients. Local trauma centres underwent structural changes, as they were provided with improved technical appliances. In terms of social capital of the TNO, network members mainly interacted in the quarterly trauma network meetings, sometimes also in bilateral contacts between hospitals. The decision-making processes were considered transparent and participatory by the interview partners. The hierarchy was described as flat; the members of all hospital levels felt respected and included into the discussions. This was attributed to the empathic, integrative leadership style of the trauma network coordinator and the open-minded, trustful climate of the group. Most interview partners experienced a sense of togetherness within the network according to the motto ‘We trauma surgeons in East Bavaria’. The TNO members individually benefitted from the social capital by being more confident in inter-hospital interactions. TNO members, especially of smaller hospitals, also felt they had a higher medical credibility because they could rely on other TNO members in difficult trauma cases. The social capital could be translated into power when the group successfully acted together in averting the certification authorities to exclude smaller TNO hospitals, and thus defended their status as a network. Only a few interviewees seem not to benefit from the network, or feel they were being patronised in aspects of medical care.
Conclusion: It could be shown that the cooperation between trauma care units in a regional trauma network has led to the development of social capital by building up trust as well as a common culture and identity. The development of social capital is strongly connected with the leadership style of the trauma network. Therefore, it would be interesting to perform comparable studies in other German or international trauma networks.
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 21:03