| Lizenz: Creative Commons Namensnennung 4.0 International (5MB) |
- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-360986
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.36098
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 31 August 2017 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Peter Angele |
Tag der Prüfung: | 30 August 2017 |
Institutionen: | Medizin > Lehrstuhl für Unfallchirurgie |
Stichwörter / Keywords: | trauma patient, preclinical trauma care, emergency physician, emergency doctor, polytrauma, sekundärer Notarzt, notarztnachforderung, zwei notärzte, traumapatient, schweres trauma |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 36098 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Die präklinische Traumaversorgung nimmt aufgrund ihrer Häufigkeit, ihrer Folgen für die Patienten und ihrer volkswirtschaftlichen Relevanz einen zentralen Platz in der Notfallmedizin ein. Dass ein Traumapatient präklinisch von zwei Notärzten behandelt wird, ist in Deutschland nicht ungewöhnlich. Über den Einfluss eines zweiten Notarztes auf präklinische Diagnostik, Therapie und Outcome ist ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Die präklinische Traumaversorgung nimmt aufgrund ihrer Häufigkeit, ihrer Folgen für die Patienten und ihrer volkswirtschaftlichen Relevanz einen zentralen Platz in der Notfallmedizin ein.
Dass ein Traumapatient präklinisch von zwei Notärzten behandelt wird, ist in Deutschland nicht ungewöhnlich. Über den Einfluss eines zweiten Notarztes auf präklinische Diagnostik, Therapie und Outcome ist aktuell wenig bekannt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, diesen Einfluss zu untersuchen und festzustellen, wie häufig und weshalb zwei Notärzte an der Traumaversorgung beteiligt waren.
Hierzu wurden Daten von 359 schwer verletzten Patienten mit einem ISS ≥ 16 ausgewertet, die im Zeitraum 09/2007 bis 12/2011 am überregionalen Traumazentrum „Universitätsklinikum Regensburg“ behandelt wurden. Die Datenerhebung geschah durch die Doktoranden vor Ort im Schockraum und stützte sich vor allem auf das Notarzteinsatzprotokoll sowie auf einen eigens entwickelten Fragebogen für den zubringenden Notarzt.
Das Patientengut war zu 2⁄3 männlich mit einem Durchschnittsalter von 39,7 Jahren. Die häufigste Traumaursache stellten Verkehrsunfälle dar und in fast allen Fällen lagen stumpfe Traumata vor. Bei einem Durchschnitts-ISS von 32,1 Punkten wurde eine Letalität von 19,5% beobachtet.
Im Vergleich der Patienten, die von einem Notarzt bzw. zwei Notärzten behandelt wurden, zeigten sich keine Unterschiede in Alter, Geschlecht, Gesamtverletzungsschwere nach ISS und NISS oder Überlebenswahrscheinlichkeit nach RISC. Tendenziell wurden Motorradfahrer häufiger von zwei Notärzten behandelt. Zudem waren bei einer Behandlung durch zwei Notärzte gewisse Körperregionen nach der AIS-Codierung signifikant schwerer und häufiger schwer verletzt. Für luftgebundene Notärzte konnte eine signifikant längere Berufs- und höhere Einsatzerfahrung nachgewiesen werden.
Bei der präklinischen Diagnostik wurden RR-Messung, EKG und SpO2-Monitoring in fast allen Fällen unabhängig von der Anzahl der Notärzte und Transportmittel durchgeführt. Auch bei der BZ-Messung bewusstseinsgetrübter Patienten gab es keine signifikanten Unterschiede. Sie wurde aber nur in 47,2% durchgeführt. Eine kapnometrische Überwachung intubierter Patienten war bei bodengebundenen Notärzten signifikant seltener zu finden und ist am ehesten auf eine fehlende Ausstattung zurückzuführen.
Sämtliche untersuchten therapeutischen Maßnahmen wurden bei Anwesenheit von zwei Notärzten signifikant häufiger durchgeführt. Der Gefäßzugang wurde als einzige Ausnahme immer durchgeführt. Die höhere Quote an Intubationen, Thoraxdrainagen und verwendeten Vakuummatratzen bei zwei Notärzten kann vor allem auf die größere Erfahrung der Notärzte und die Besonderheiten des Lufttransportes zurückgeführt werden. Die häufiger durchgeführten Zervikalprotektionen, Analgesien und Frakturrepositionen sind am ehesten auf die Anwesenheit eines zweiten Notarztes an sich zurückzuführen. Bei zwei behandelnden Notärzten zeigte sich, dass der primäre Notarzt eine mögliche Intubation, eine Thoraxdrainage oder Frakturreposition häufig dem sekundären Notarzt überließ.
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Im Fall von zwei Notärzten verlängerten sich die präklinische Gesamtzeit und die Versorgungszeit signifikant um etwa 17 Minuten. Trotz einer relativ langen Versorgungszeit durch den primären Notarzt ergibt sich kaum ein Zeitgewinn für den sekundären Notarzt. Die Nachforderung des sekundären Notarztes geschah mit ca. 7,1 Minuten am Tag wie in der Nacht erfreulich schnell.
Die beobachtete Letalität war bei einem wie bei zwei Notärzten geringer als durch den RISC prognostiziert. Es zeigte sich ein nicht signifikanter, geringer Vorteil von zwei Notärzten gegenüber einem Notarzt. Gleichzeitig trat bei zwei Notärzten signifikant häufiger ein Multiorganversagen auf. Dies beruht höchstwahrscheinlich auf den unterschiedlichen Verletzungen beider Patientengruppen. Der GOS zeigt keine klinisch relevanten Unterschiede.
Es zeigte sich, dass mit 53,8% mehr als die Hälfte aller Patienten präklinisch von zwei Notärzten versorgt wurden. In der Luftrettung lag der Anteil von zwei Notärzten versorgter Patienten bei 78,1%. Aufgrund von regionalen und infrastrukturellen Besonderheiten der Untersuchungsregion Ostbayern können diese Werte nicht ohne weiteres auf andere Regionen, insbesondere Ballungsgebiete, übertragen werden. Dennoch ist anzunehmen, dass der deutschlandweite Anteil von zwei behandelnden Notärzten beim schweren Trauma nicht unerheblich ist.
Es scheint sich hier meist um Nachforderungen von bodengebundenen Notärzten zu handeln, die den Geschwindigkeitsvorteil der Luftrettung in einer ländlich geprägten Region mit wenigen überregionalen Traumazentren nutzen wollten (Nachforderung zum Transport). Diese Begründung ist in der Literatur bisher die fast ausschließliche Erklärung. Da hier gezeigt wurde, dass der luftgebundene Notarzt signifikant mehr Erfahrung besitzt und signifikant häufiger invasive Maßnahmen durchführt als der nachfordernde Notarzt, liegt es nahe, dass es auch Nachforderungen gab um indizierte Maßnahmen von einem erfahreneren Notarzt durchführen zu lassen (Nachforderung zur qualifizierten Versorgung). Hier handelt es sich insbesondere um Intubationen und Thoraxdrainagen, die der nachfordernde Notarzt dem zweiten Notarzt überlässt. In etwa 6-8% aller Einsätze scheinen primärer und sekundärer Notarzt gleichzeitig am Patienten eingetroffen zu sein.
Der schwer verletzte Patient gehört mindestens in ein regionales Traumazentrum, die verständlicherweise in der Fläche nur begrenzt zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist der Anteil der Luftrettung an der Traumaversorgung schon jetzt in der Studienregion sehr hoch. Viele bodengebundene Notarzteinsätze wären obsolet, wenn bei entsprechender Indikation sofort, auch in der Nacht, ausschließlich ein luftgebundener Notarzt alarmiert würde und durch die Notfallsanitäter mit ihren erweiterten Befugnissen eine Anfangsversorgung stattfinden würde. Mit diesem Hintergrund sollte das aktuelle Konzept der Traumaversorgung überdacht werden.
Sofern ein bodengebundener Notarzt vor Ort und in der Nähe eines Traumazentrums ist, könnte eine bessere Ausbildung- und Inübunghaltung der invasiven Maßnahmen die Anzahl der Nachforderungen reduzieren helfen.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Due to their frequency, their individual consequences for patients and their economic relevance, preclinical trauma care is a central part of emergency medicine. In Germany it is not unusual for a trauma patient to be treated by two different emergency doctors. On the influence of a second emergency doctor on preclinical diagnostics, therapy and outcome is currently little known. The purpose of ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Due to their frequency, their individual consequences for patients and their economic relevance, preclinical trauma care is a central part of emergency medicine.
In Germany it is not unusual for a trauma patient to be treated by two different emergency doctors. On the influence of a second emergency doctor on preclinical diagnostics, therapy and outcome is currently little known. The purpose of this dissertation was to investigate this influence.
For this purpose, data from 359 seriously injured patients with an ISS ≥ 16 were evaluated. All were treated at "Universitätsklinikum Regensburg" (equal to a Level I Trauma Center) between 09/2007 and 12/2011. The data collection was carried out by the doctoral students and was mainly based on the emergency medical service protocol as well as on a specially developed questionnaire for the emergency physician.
The patient population was 2/3 male with an average age of 39.7 years. The most frequent cause of traumatism was traffic accidents, and in almost all cases dull trauma was present. With an average ISS of 32.1 points, a lethality of 19.5% was observed.
Compared to patients who were treated by an emergency physician or two emergency physicians, there were no differences in age, sex, total injury severity according to ISS and NISS or survival probability according to RISC. Motorcyclists were more frequently treated by two emergency physicians. In addition, in the case of treatment by two emergency physicians, certain body regions after the AIS coding were significantly heavier and more frequently injured. For air-rescue physicians, a significantly longer period of work experience and higher routine was demonstrated.
Preclinical diagnostics (RR measurement, ECG and SpO2 monitoring) were performed in almost all cases regardless of the number of emergency physicians and means of transport (air or ground). There were also no significant differences in the blood glucose measurement of patients with low consciousness. However, it was only carried out in 47.2%. Capnometric monitoring of intubated patients was significantly less common in ground-based emergency physicians and is most likely due to a lack of equipment.
All investigated therapeutic measures were significantly more frequently performed in the presence of two emergency doctors. IV-access was the only exception (always carried out). The higher quota of intubations, thoracic drainage and the use of vacuum mattresses by two emergency doctors can be attributed mainly to the greater experience of emergency physicians and the special particularities of air transport. The more frequent cervical spine protections, analgesia, and fracture repositions are most likely due to the presence of a second emergency physician per se. In the case of two treating emergency physicians, it was found that the primary emergency physician often left the secondary emergency physician a possible intubation, a thorax drainage or a fracture reposition.
In the case of two emergency doctors, the preclinical total time and the care period significantly increased by about 17 minutes. Despite a relatively long period of care by the primary emergency physician, there is hardly any time gain for the secondary emergency physician. The secondary emergency doctor's request was pleasantly fast with about 7.1 minutes a day as well as at night.
The observed mortality was lower in one as in two emergency doctors by the RISC-Score. There was a non-significant, small advantage of two emergency doctors against one emergency physician. At the same time, multiorgan failure was significantly more common in two emergency doctors. This is most likely due to the different injuries of both patient groups. The Glasgow Outcome Scale showed no clinically relevant differences.
It was found that with 53.8% more than half of all patients were treated by two emergency doctors. Due to the regional and infrastructural characteristics of the eastern Bavarian study region, these values can not be transferred directly to other regions, particularly urban areas. Nevertheless, it is to be assumed that the German-wide rate of two treating emergency physicians is not insignificant in the case of severe trauma.
The main reason for the ground based emergency physician to call a second one seems to be a assumes advantage in speed in a rural region with few supra-regional trauma centers (demand for transport). This reasoning has been the almost exclusive explanation in the literature. Since it was shown here that the airborne emergency physician has significantly more experience and carries out invasive measures significantly more frequently than one emergency physician alone, it is obvious that there were also additional claims to carry this procedures out by a more experienced emergency physician. These are, in particular, intubations and thoracic drainages, which are given to the second emergency physician by the primary emergency physician. In about 6-8% of all missions, primary and secondary emergency physicians appear to have arrived at the same time.
The seriously injured patient belongs at least to a regional trauma center, which is understandably limited to the area. For this reason, the share of air rescue in the treatment of traumas is already high in the study region. Many ground-based emergency doctors would be obsolete if, given an appropriate indication, an airborne emergency physician would be alerted immediately, even at night, and an emergency care unit (paramedics) would provide initial care. With this background, the current concept of the trauma care system should be considered.
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 20:59