Aktuelle Empfehlungen der S3-Leitlinie Polytrauma-/Schwerverletztenbehandlung zur Volumen- und Gerinnungstherapie und deren Umsetzung am Universitätsklinikum Regensburg
Hintergrund: Die unkontrollierbare Blutung gilt als häufigste Todesursache bei Patienten in der Frühphase nach Polytrauma. Das Gerinnungsmanagement erlangt immer größere Bedeutung. Entgegen der ursprünglichen These, dass die Trauma-induzierte Koagulopathie sekundär entsteht, stellt diese ein eigenständiges Krankheitsbild dar. Eine einheitliche internationale Klassifikation gibt es jedoch nicht. ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Hintergrund: Die unkontrollierbare Blutung gilt als häufigste Todesursache bei Patienten in der Frühphase nach Polytrauma. Das Gerinnungsmanagement erlangt immer größere Bedeutung. Entgegen der ursprünglichen These, dass die Trauma-induzierte Koagulopathie sekundär entsteht, stellt diese ein eigenständiges Krankheitsbild dar. Eine einheitliche internationale Klassifikation gibt es jedoch nicht. Am 01.07.2011 erschien die erste interdisziplinäre S3-Leitlinie Polytrauma-/Schwerverletztenbehandlung unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Wurden die Leitlinienempfehlungen in der Präklinik und an der Universität Regensburg als überregionalem Traumazentrum umgesetzt? Profitierten die Patienten durch ein besseres Outcome?
Methodik: Vom 01.09.2007 bis 31.12.2012 wurden die Daten von Schockraumpatienten am Universitätsklinikum Regensburg von geschulten Studienassistenten erfasst und anhand der Variablen des DGU-Traumaregisters sowie weiteren 300 Variablen aus Präklinik und Schockraumablauf dokumentiert. Eingeschlossen wurden Patienten, die zum Unfallzeitpunkt mindestens 16 Jahre alt waren, deren ISS ≥ 16 war und die primär an der Studienklinik behandelt wurden (n = 438). Zum Vergleich wurde das Studienkollektiv in zwei Gruppen eingeteilt. Für den Zeitraum vor der Einführung der S3-Leitlinie wurden die Jahre 2008/2009 gewählt (n = 165), für den Zeitraum nach Einführung der Leitlinie die Jahre 2011/2012 (n = 173). Die Patienten der Jahre 2007 (n = 25) und 2010 (n = 75) wurden nicht berücksichtigt. Die Gruppen 08/09 und 11/12 wurden in einer deskriptiven Analyse miteinander verglichen.
Ergebnisse: In beiden Gruppen unterschieden sich Alter, Geschlecht, Traumaart, ISS-Werte und AIS-Werte aller Körperregionen ausgenommen Thorax und Abdomen nicht signifikant voneinander. Am Thorax und am Abdomen waren die Patienten aus Gruppe 08/09 signifikant schwerer verletzt. Präklinisch erfolgte das Volumenmanagement leitlinienenkonform durch signifikant reduzierte Volumentherapie (1.601 ml vs. 1.193 ml, p < 0,001) und zunehmende Monotherapie mit Kristalloiden. Auch innerklinisch erfolgte entsprechend den Leitlinien die aggressivere Substitution von zellulären Blutprodukten sowie Gerinnungsfaktoren. Die Blutplasma-Gabe wurde reduziert und glich sich damit dem empfohlenen Verhältnis FFP:EK = 1:1 bis 1:2 an. Körpertemperatur und Azidämie unterschieden sich in beiden Gruppen nicht. Das allgemeine Outcome zeigte keine signifikanten Unterschiede. In der Untergruppe der Patienten mit Gerinnungsversagen, definiert als Transfusionsbedarf von ≥ 10 Erythrozytenkonzentrate in der Schockraumphase, nahm die Letalität in Gruppe 11/12 jedoch signifikant ab (53,8 % vs. 38,5 %, p < 0,001), der Glasgow Outcome Scale besserte sich signifikant (p < 0,001). Somit wurden wesentliche Empfehlungen der S3 Leitlinie Polytrauma-/Schwerverletztenbehandlung in Präklinik und Klinik umgesetzt und Patienten mit Gerinnungsversagen profitierten durch ein besseres Outcome.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Background: Uncontrolled bleeding is he most frequent cause of early death in trauma patients. Treatment strategies are of utmost clinical relevance. As we know today, trauma acquired coagulopathy is multi factorial primary condition. In July 2011 the first S3 guideline on polytrauma, initiated by the Germany Society for Trauma Surgery (DGU), was published in Germany. It was therefore the aim of ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Background: Uncontrolled bleeding is he most frequent cause of early death in trauma patients. Treatment strategies are of utmost clinical relevance. As we know today, trauma acquired coagulopathy is multi factorial primary condition. In July 2011 the first S3 guideline on polytrauma, initiated by the Germany Society for Trauma Surgery (DGU), was published in Germany. It was therefore the aim of this study to investigate whether the guidelines were implemented by the emergency physicians of Eastern Bavaria and by the university hospital Regensburg as supra-regional trauma center and whether it had influence on patients` outcome.
Methods: Out of 904 prospectively registered patients during a observation period of 74 months, 438 were included into this study. Inclusion criteria were ISS >=16, age >=16, primary treatment at level 1 trauma center. We categorized our patients into two groups: Group 08/09 (n = 165) represents patients treated in the years 2008 and 2009. Group 11/12 (n =175) includes patients of the year (2011) and following year (2012) after the German S3 guideline on polytrauma has come into force. Patients treated in 2007 (n = 25) and 2010 (n = 75) were not included.
Results: Both groups did not differ in age, sex, injury patterns, ISS and AIS except torso and abdomen. Patients of group 08/09 were more severely injured in torso (p = 0,002) and abdomen (p < 0,05). Volume therapy during preclinical phase was significantly reduced in group 11/12 (1.601 ml vs. 1.193 ml, p < 0,001). Furthermore, we registered an increased application of crystalloid solutions as monotherapy (45,0 % vs. 26,9 %, p = 0,005). Inside the hospital a more aggressive management of bleeding and coagulopathy following major trauma (red cell concentrates, platelet concentrates, tranexamic acid) was performed. Transfusion of fresh frozen plasma was reduced, according to the S3 guideline. Body temperature and acidemia showed no differences in the groups. Overall outcome did not differ in the groups. In the subgroup of patients with coagulopathy mortality was significantly reduced (53,8 % vs. 38,5 %, p < 0,001) and Glasgow Outcome Scale was significantly improved (p < 0,001). Randomized controlled trials with higher numbers of patients are needed to confirm the results.