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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-373430
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.37343
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 24 Mai 2018 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Hans J. Schlitt und PD Dr. Wibke Uller |
Tag der Prüfung: | 23 Mai 2018 |
Institutionen: | Medizin > Lehrstuhl für Chirurgie |
Stichwörter / Keywords: | Kinderchirurgie, Pediatric Surgery, Sakralnerven Stimulation, Sacral nerve stimulation, Anorektale Malformationen, Morbus Hirschsprung |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 37343 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Hintergrund und Ziele Der Goldstandard bei der Korrektur anorektaler Malformationen ist die Methode nach Peña/de Vries. Sie beinhaltet die direkte intraoperative Muskelstimulation zur Identifizierung kontraktilen Muskelgewebes im Bereich des Beckenbodens. Dies zielt darauf ab, die physiologisch günstigste Position des Neoanus innerhalb des analen Sphinkter-komplexes zu definieren. Bei dieser ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Hintergrund und Ziele
Der Goldstandard bei der Korrektur anorektaler Malformationen ist die Methode nach Peña/de Vries. Sie beinhaltet die direkte intraoperative Muskelstimulation zur Identifizierung kontraktilen Muskelgewebes im Bereich des Beckenbodens. Dies zielt darauf ab, die physiologisch günstigste Position des Neoanus innerhalb des analen Sphinkter-komplexes zu definieren. Bei dieser Methode kann zwar kontraktiles Gewebe eindeutig identifiziert werden, eine regelrechte somatische Innervation und somit eine spätere willkürliche Funktion dieser Muskelfasern kann durch diese Methode jedoch nicht überprüft werden.
Bei der therapeutischen Sakralnervenstimulation (SNS) werden die Sakralnerven an ihren Austrittsstellen aus dem Os sacrum über einen dauerhaft implantierten Schrittmacher stimuliert, um die Muskulatur verschiedener Zielorgane im kleinen Becken, des M. detrusor vesicae und des M. sphincter ani, zu stärken.
Die Methode der Sakralnervenstimulation wird im Rahmen der vorliegenden Studie in Kinderchirurgie als diagnostische Maßnahme eingesetzt. Hiermit kann in einem Schritt zusätzlich zur alleinigen Kontraktilität des Muskelgewebes auch dessen angelegte Innervation intraoperativ dargestellt werden. Zusätzlich dient sie der Orientierung bei der Anoplastik oder bei anderen Eingriffen zur Schonung der Schließmuskelfunktion.
Diese Arbeit soll zum einen die Eignung bei gleichzeitiger Sicherheit dieser Methode aufzeigen und zum anderen einen Ausblick auf ihre weiteren Möglichkeiten zum Beispiel bei der Verwendung als Prognosefaktor im Hinblick auf die spätere Kontinenzleistung der Patienten geben.
Material und Methoden
Die diagnostische SNS führten wir bei 22 Patienten mit zugrunde liegenden anorektalen Malformationen (ARM; n = 17), Morbus Hirschsprung (n = 3) sowie bei zwei Patienten mit zugrunde liegender Blasenekstrophie durch. Der Eingriff erfolgte entweder bei der Primärversorgung der jeweiligen angeborenen Fehlbildung oder bei verschiedenen Folgeeingriffen.
Intraoperativ wurden hierbei zunächst unter Ultraschallkontrolle perkutan Foramennadeln in die Sakralforamina S3 und/oder S4 eingesetzt. Bei der initialen Stimulation wurde zunächst der korrekte Nadelsitz durch Beobachtung der Kontraktion der entsprechenden Kennmuskeln der Sakralnerven überprüft; sie erfolgte mit den Geräteeinstellungen von 20 Hz bei einer Impulsbreite von 120µs, 120 mA Stromstärke und 10 V Stromspannung mit dem Stimulationsgerät. Zur Bestimmung der Reizschwellen von Kennmuskeln und Sphinkter-/Beckenbodenmuskulatur wurde stufenweise die Spannung am Stimulationsgerät in 0,5-V-Schritten verringert.
Anschließend werteten wir in Zusammenarbeit mit der Radiologischen Abteilung an unserer Klinik die MRT-Aufnahmen unserer Patienten im Hinblick auf morphologische Besonderheiten und zur Bestimmung der SR aus.
Zusätzlich wurde unser kinderproktologischer Anamnesebogen inklusive des Fragebogens zur Beurteilung der Kontinenzleistung nach der Krickenbeck-Klassifikation von unseren Patienten oder deren Sorgeberechtigten ausgefüllt und von uns ausgewertet.
Ergebnisse
Bei 20 von 22 Patienten ließen sich durch die Sakralnervenstimulation Muskelkontraktionen auslösen. Einer der beiden frustranen Stimulationsversuche lässt sich auf eine präoperativ durchgeführte Kaudal-Anästhesie zurückführen; beim zweiten Patienten ist die Ursache ungeklärt. Zu den hauptsächlich durch SNS der Sakralnerven S3-S4 kontrahierenden Muskeln gehören die Beckenbodenmuskulatur – besonders der äußere Analsphinkter – und Plantarflektoren. Die gemessenen Schwellenwerte liegen zwischen 0,2 und 10 V.
Bei 8 von 22 Patienten wurden Kontraktionen der stimulierten Nerven auch kontralateral ausgelöst.
Die Auswertung der MR-Tomografien der Patienten ergab unterschiedliche knöcherne und muskuläre Dysmorphien, was sich nicht zuletzt durch eine große Anzahl unterschiedlicher Grunderkrankungen erklären lässt. Lediglich bei einem Patienten konnte hierbei eine Struktur gefunden werden, welche sich als eine die Mittellinie kreuzende Nervenbahn interpretieren lässt.
Intra- und postoperativ traten keine unerwünschten Nebenwirkungen oder Komplikationen auf, die als Folge oder im Zusammenhang mit der SNS zu bewerten sind.
Die postoperative Befragung mit Bezug auf die Kontinenz wurde von 14 der 20 kontaktierten Patienten innerhalb eines Jahres zurückgesendet. Aufgrund der geringen Patientenzahl und hohen Heterogenität bezüglich Alter und Grunderkrankungen sind die hierbei erhobenen Werte jedoch statistisch nicht aussagekräftig.
Schlussfolgerung
Die vorliegende Studie zeigt, dass es sich bei der Sakralnervenstimulation um eine sichere Methode zur intraoperativen Überprüfung der Lokalisation und Funktion des analen Schließmuskels an Säuglingen und Kleinkindern handelt und sie sich als diagnostische Methode in der Kinderchirurgie eignet. Sie ist auch in der Routinetherapie sicher und standardisiert durchführbar.
Weiterhin wurden die theoretischen Vorteile einer systematischen Überprüfung der neuromuskulären Verschaltung auch in der Praxis dargestellt.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte durch die diagnostische SNS auch der Nachweis häufig bestehender kreuzender Innervationsmuster für den analen Schließmuskel erbracht werden. Dies gibt Anstoß für weitere Untersuchungen und legt nahe, dass eine intraoperative Präparation des Rektums und des präsakralen Bindegewebes im Bereich der Mittellinie die Integrität dieser nervalen Leitungsbahnen gefährden und damit die zu-künftige Kontinenz zusätzlich beeinträchtigen könnte.
In Zukunft könnte der diagnostischen SNS und den hierbei erhobenen neurophysiologischen Messwerten eine weitere Bedeutung als prognostische Parameter für die spätere Kontinenz und damit auch für Lebensqualität der Patienten mit anorektalen Fehlbildungen zukommen; ein solcher Rückschluss ist aufgrund der geringen Patientenzahl und der kurzen Nachbeobachtungsdauer derzeit noch verfrüht. Durchaus sind aber auch Ansätze für zusätzliche Interventionskonzepte zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten mit anorektalen Fehlbildungen auf der Basis der initialen SNS denkbar.
Die diagnostische Sakralnervenstimulation stellt ein sinnvolles, sicheres und wissen-schaftlich begründbares Instrument in der Diagnostik, Therapie und möglicherweise in der Prognoseeinschätzung des Formenkreises der anorektalen Fehlbildungen sowie deren Folgezustände dar.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The current method of standard when identifying the anal sphincter intraoperatively in pediatric surgery is direct muscle stimulation. Thus, contractile tissue can be identified, however physiological innervation can not be proven. Sacral nerve stimulation is a valuable tool for treating incontinence and constipation in pediatric patients, while also evoking anal sphincter contractions. Using ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The current method of standard when identifying the anal sphincter intraoperatively in pediatric surgery is direct muscle stimulation. Thus, contractile tissue can be identified, however physiological innervation can not be proven. Sacral nerve stimulation is a valuable tool for treating incontinence and constipation in pediatric patients, while also evoking anal sphincter contractions. Using sacral nerve stimulation as a diagnostic tool, we hypothesize that diagnostic sacral nerve stimulation can improve the current practice of intraoperative sphincter assessment in pediatric anorectal surgery by demonstrating sphincter innervation as well as identifying contractile tissue such as the sphincter. Focusing on the specific adjustments for infants, we highlight the anatomical and neurophysiologic basis of SNS and its further diagnostic and therapeutic implications.
Patients and Methods
We examined 22 patients: 17 patients with ARM, 3 with Hirschsprung disease, and 2 with cloacal exstrophies. Under general anesthesia and ultrasound guidance, percutaneous needle electrodes were placed within the sacral neural foramina 3 and 4. Electrical stimulation was applied to assess the presence, pattern, and extent of the neuromuscular response of the external anal sphincter as well as the voltage thresholds for electrical stimulation. MRI recordings have been investigated for morphological anomalies as well as for determining our patient’s sacral ratios. In addition, we also collected patient data according to the Krickenbeck questionnaire.
Results
In 22 patients a muscle response has been found in 20 patients using diagnostic sacral nerve stimulation, no complications occurred to date. Voltage thresholds were between 0,2 and 10V. Unexpectedly contralateral contractions to the stimulated sacral nerves have been evoked in 8 out of 22 Patients.
The Krickenbeck questionnaire has been answered by 14 of 20 contacted patients within a year.
Due to the low number of patients, different age groups, and variable follow up times our data is of no statistical significance.
Conclusion
We demonstrated the feasibility and safety of diagnostic SNS for intraoperative sphincter mapping and detection of primary innervation abnormalities in ARM. Sacral nerve stimulation broadens the spectrum of intraoperative information concerning the sacral innervation pattern by a direct assessment of the sacral nerves. During this study we also found cross innervations of the anal sphincter as well as the lower extremities using our new diagnostic tool. Electrophysiologic data may allow prospective criteria for sphincter function to be established. These may improve intraoperative safety, the accuracy of the present classification-based prognosis as well as the understanding of sphincter physiology in general.
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 19:44