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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-408672
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.40867
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 24 Oktober 2019 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Julika Loss |
Tag der Prüfung: | 17 Oktober 2019 |
Institutionen: | Medizin > Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin > Medizinische Soziologie |
Stichwörter / Keywords: | Altersabhängige Makuladegeneration, Genetik, Prävention/ age-related macular degeneration, genetics, prevention |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 40867 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), eine gehäuft im höheren Lebensalter auftretende, progrediente Erkrankung der zentralen Netzhaut, gilt gegenwärtig als häufigste Ursache für Erblindung und schwerwiegenden Sehverlust in westlichen Industriestaaten. Auch in Deutschland sind mehrere Millionen Menschen betroffen. Angesichts der zunehmenden Alterung der deutschen Bevölkerung wird ein ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), eine gehäuft im höheren Lebensalter auftretende, progrediente Erkrankung der zentralen Netzhaut, gilt gegenwärtig als häufigste Ursache für Erblindung und schwerwiegenden Sehverlust in westlichen Industriestaaten. Auch in Deutschland sind mehrere Millionen Menschen betroffen. Angesichts der zunehmenden Alterung der deutschen Bevölkerung wird ein starker Anstieg der Prävalenz mit weitreichenden Folgen für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft prognostiziert. Während frühe Stadien der AMD aufgrund fehlender Symptome meist unentdeckt bleiben, leiden Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung an unterschiedlich ausgeprägten Einschränkungen der Sehkraft. Im Extremfall droht die vollständige Erblindung. Eine kurative Therapie existiert bislang nicht. Allerdings besteht die Möglichkeit, ein Fortschreiten der AMD – zumindest temporär – aufzuhalten. Bei neovaskulärer AMD gilt die intravitreale Applikation von VEGF-Inhibitoren derzeit als Goldstandard. Zudem konnten die ARED-Studien bei bestimmten Stadien trockener AMD positive Effekte für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zeigen. Trotz der bereits etablierten und einer Reihe neuer Therapieansätze ist bisher jedoch keine für alle AMD-Patienten gleichermaßen wirkungsvolle Behandlung verfügbar. Unter einer Vielzahl möglicher Risikofaktoren für AMD gelten aktuell vor allem hohes Alter, Tabakrauchen sowie genetische Disposition als gesichert. Die Ergebnisse zahlreicher Studien untermauerten in den letzten Jahren die Bedeutung genetischer Faktoren bei der Entstehung bzw. Progression von AMD. Diese Erkenntnis eröffnet neue Handlungsspielräume. Beispielsweise bietet die frühzeitige Identifizierung eines genetischen Risikos eine Grundlage für potenzielle Präventionsmaßnahmen. Ärzte stellen in diesem Zusammenhang ein wichtiges Bindeglied zwischen wissenschaftlicher Forschung und deren Übertragung in die Patientenversorgung dar. Es ist unklar, ob wissenschaftliche Resultate auf dem Gebiet der Genetik bzw. Genomik im ärztlichen Gespräch mit AMD-Patienten berücksichtigt werden. Die vorliegende Studie untersucht, wie niedergelassene Augenärzte diesen Aspekt mit Betroffenen kommunizieren und welche Schwierigkeiten aber auch Chancen mit diesem Thema assoziiert werden.
Es wurden semi-strukturierte face-to-face Interviews mit niedergelassenen Augenärzte/ -innen (m=12, f=3) aus acht Städten bzw. Gemeinden in den ostbayerischen Regierungsbezirken Oberpfalz und Niederbayern geführt. Die Befragung orientierte sich an einem Interviewleitfaden, welcher unter anderem Fragen zur Einschätzung des persönlichen Wissensstands der Ärzte hinsichtlich des genetischen Hintergrunds der AMD sowie zur Bewertung der klinischen Relevanz genetischer Aspekte im Praxisalltag enthält. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, transkribiert, anonymisiert und einer systematischen Inhaltsanalyse unterzogen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Kommunikation mit AMD-Patienten Augenärzte vor eine schwierige Aufgabe stellt. Als besondere Herausforderung führen viele Befragte Zeitdruck im Praxisalltag an, welcher sich limitierend auf die Inhalte des Patientengesprächs auswirke. Weiterhin verändere sich die Gesprächssituation über die gesamte Zeit der Behandlung hinweg. Verständigungsprobleme zwischen Arzt und Patient führten einige Mediziner auf das meist fortgeschrittene Alter von AMD-Patienten zurück. Eine weitere Quelle für Probleme im Umgang mit Betroffenen sahen die Ärzte in den unterschiedlichen Copingstrategien ihrer Patienten. Zur Bedeutung genetischer Aspekte der AMD für das Patientengespräch und die ärztliche Praxis äußerte sich die Mehrheit der Interviewpartner unsicher bzw. distanziert. Einige Mediziner bekundeten zudem fehlendes Interesse am Thema Genetik. In der Summe lassen die Äußerungen der befragten Augenärzte ein deutliches Wissensdefizit hinsichtlich des genetischen Hintergrunds der Erkrankung vermuten. Darüber hinaus wurde der Zugang zu Erkenntnissen aus der genetischen Forschung von den Ärzten überwiegend als schwierig empfunden. In diesem Zusammenhang wurde mehrfach das Anliegen geäußert, Wissenschaft und klinische Praxis im Sinne eines wechselseitigen Austauschs stärker miteinander zu verknüpfen. Den Befragten zufolge habe Genetik für die Patientenversorgung derzeit keine praktische Relevanz. Dementsprechend wurde auch das Potenzial für präventive Ansätze als äußerst gering eingeschätzt. Vor allem die prädiktive Ausrichtung von Genetik in Form von genetischer Testung wurde kritisch gesehen. Aufgrund von Bedenken, Patienten bzw. deren Angehörige zu verunsichern oder zu überfordern, werde daher kaum auf das Thema Genetik eingegangen.
Die Resultate dieser Erhebung legen nahe, dass sich der wissenschaftliche Fortschritt im Bereich Genetik und Genomforschung gegenwärtig nur in sehr geringem Umfang bzw. überhaupt nicht im ärztlichen Gespräch mit AMD-Patienten abbildet und entsprechende Forschungsergebnisse damit bislang keinen erkennbaren Einfluss auf die ambulante Versorgung ophthalmologischer Patienten und deren Angehörige haben. Darüber hinaus wird die Komplexität der Zusammenhänge und Mechanismen deutlich, die sich hinter dieser Beobachtung verbergen. Gleichzeitig bilden diese jedoch auch die Basis für vielfältige und komplementäre Lösungskonzepte, welche auf unterschiedlichen Ebenen des Informationstransfers zwischen wissenschaftlicher Forschung und klinischer Praxis ansetzen. In diesem Zusammenhang erscheinen vor allem gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zum genetischen Hintergrund der AMD für Ophthalmologen wie auch zukünftige ärztliche Fachkräfte essenziell. Zudem könnten Studien zur Untersuchung präventiver Ansätze unter Umständen zu einer stärkeren Fokussierung auf effektive Präventionsmaßnahmen anstelle der bisher überwiegend kurativen Ausrichtung der Patientenversorgung beitragen. Insgesamt ist der Aufbau neuer Forschungsstrukturen erforderlich, um Wissenschaft und klinische Tätigkeit zukünftig enger miteinander zu verzahnen und eine bilaterale Verständigung zu ermöglichen.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Age-related macular degeneration, a progressive disease of the central retina which commonly occurs with advanced age, is currently presumed to be the leading cause of blindness and severe vision loss in western industrialized countries. In Germany millions of people are affected. In regards to the demographic change within the German population the prevalence of AMD is predicted to rise ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Age-related macular degeneration, a progressive disease of the central retina which commonly occurs with advanced age, is currently presumed to be the leading cause of blindness and severe vision loss in western industrialized countries. In Germany millions of people are affected. In regards to the demographic change within the German population the prevalence of AMD is predicted to rise enormously with tremendous consequences for the health care system and society. Early stages of AMD usually stay undetected due to a lack of symptoms, whereas patients with advanced disease suffer from different degrees of vision loss, the worst case cenario being complete blindness. So far, there is no cure for AMD. However, it is possible to stop progression - at least temporaryly. Currently, the standard treatment for neovascular AMD is the intravitreal application of VEGF-Inhibitors. In addition, the ARED studies showed positive effects of dietry supplements on early stages of AMD. Despite the established and upcoming therapies there is no treatment available, that can be applied to all AMD-patients with the same effectiveness. Age, smoking and genetics are the most important risc factors for AMD. The results of a vast number of studies over the last decade underline the relevance of genetic factors influencing etiology and disease progression. These findings offer new possibilities, e.g. early detection of genetic risk can be the basis for potential preventive measures. In this context, doctors can be seen as the fundamental link between reasearch and its transfer to patient care. It is unclear, whether genetic, respectively genomic research results are part of the communication during medical consultation with AMD-patients. This study investigates office-based opthalmologists´ approach in communicating genetic aspects with their patients, barriers and future potential.
Semi-structured face-to-face interviews were conducted with office-based opthalmologists (m=12, f=3) in the east of Bavaria. The survey was based on an interview guide with questions about the personal knowledge concerning genetic aspects of AMD and the clinical relevance of genetics in daily practice. The interviews were recorded, transcribed, anonymized and systematicallly analyzed.
The results of this study show that communication with AMD-patients is a difficult task for ophtalmologists. One aspect which is perceived as a major challange by most of the interviewees is the time restraint, which, according to the doctors, limits the content of information conveyed during medical consultations. Futhermore, circumstances during conversation situations would constantly change during the treatment process. The advanced age of many AMD-patients and their various coping strategies are seen as one of the many communication problems between physicians and patients. Concerning the communication of genetic aspects of the AMD with patients, the majority of the interviewees showed uncertainty and uneasiness. Moreover, some physicians stated that they are simply not interested in genetics. Overall, the statements indicate a large deficit of knowledge in the field of genetics in context with AMD. Moreover, ophthalmologists described the accessability of results from genetic research as complicated, they asked for a stronger connection between science and clinical practice in the terms of a two-way exchange. Most of the interviewees agreed that genetic aspects have no practical relevence for patient care. Accordingly, the potential of preventive approaches was rated very low. Especially the predictive orientation of genetic testing was criticized. The interviews showed that doctors tend to avoid mentioning genetic aspects because they are worried about unsettling patients or their relatives.
The results of this study indicate that the scientific progress in the field of genetics and genomics hardly has an impact on the way physicians communicate with AMD-patients. Respectively, research results do not have visible influence on the daily practice of office-based ophthalmologists. In addition, the complexity of the underlying mechanisms of these findings became apparant. At the same time the results of this study build the basis for multifaceted and complementary approaches which address different levels of information transfer between science and clinical practice. Education programs about genetic aspects of AMD for ophthalmologists and future medical specialists seem to be particularly essential. Further research examening approaches with the focus on prevention could help change the current curative orientation of patient care. Overall, new frameworks for reasearch have to be built in order to connect science and clinical practice more effectively and allow bilateral communication.
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 17:28