Operative Versorgung von Lungenkarzinom-Patienten in ländlichen Regionen: Eine Analyse der Mindestmengenregelung und ihrer Auswirkungen auf die Anfahrtszeit zum Behandlungsort
Die Festlegung von Mindestmengen in Deutschland dient der Sicherstellung der Behandlungsqualität (§ 136b SGB V). Auch für die thoraxchirurgische Behandlung des Lungenkarzinoms wurde eine Mindestmenge festgelegt, welche nach einer Übergangsregelung für das Jahr 2023 ab 2024 angewendet wird.
Um festzustellen welche Auswirkung die Mindestmenge auf die Anfahrtszeiten zum Operationsort für Patienten ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Die Festlegung von Mindestmengen in Deutschland dient der Sicherstellung der Behandlungsqualität (§ 136b SGB V). Auch für die thoraxchirurgische Behandlung des Lungenkarzinoms wurde eine Mindestmenge festgelegt, welche nach einer Übergangsregelung für das Jahr 2023 ab 2024 angewendet wird.
Um festzustellen welche Auswirkung die Mindestmenge auf die Anfahrtszeiten zum Operationsort für Patienten in einem Flächenland hat, wurde in Zusammenarbeit mit dem lokalen klinischen Krebsregisters eine retrospektive Kohortenstudie durchgeführt. Es wurden Daten von n=3952 Patienten mit Erstdiagnose Lungenkarzinom in den Jahren 2015-2018 erhoben, aus welchen n=679 Patienten mit primärer operativer Therapie ausgewählt wurden.
Zunächst wurde festgestellt, dass die Klinikwahl des Patienten von der Fahrtzeit abhängt: Patienten mit langer Fahrtzeit wurden eher in einem Lungenkrebszentrum operiert, Patienten mit kurzer Fahrtzeit wählten oft die heimatnahe Behandlung in einem nicht zertifizierten Zentrum. Das Überleben war unabhängig von der Fahrtzeit.
Es wurde die Auswirkung unterschiedlich großer Mindestmengen (10, 20, 40, 75) auf die Fahrtzeiten der Patienten untersucht. Es wurden die Patienten mit Behandlung in einer Klinik mit erreichter Menge (eMM) mit den Patienten verglichen, die in einer Klinik ohne erreichte Mindestmenge (nMM) operiert wurden. Bei allen Mindestmenge zeigt die Gruppe eMM ein signifikant verlängertes Überleben.
Anschließend wurde eine Simulation durchgeführt, in welcher die Patienten der Gruppe nMM in die nächstmögliche Klinik mit erreichter Mindestmenge geschickt wurden. Der Mehraufwand der Patienten stieg mit ansteigender Mindestmenge deutlich und betrug zuletzt 34,0 min (57,0 min Fahrtzeit anstatt 23,0 min). Die durchschnittliche Gesamtfahrtzeit der Patienten betrug bei Anwendung der Mindestmenge 48,4 min.
In einer weiteren Simulation, in welcher angenommen wurde, dass eine weitere Klinik durch Umverteilungsmechanismen weiter an der Versorgung teilnehmen darf, zeigte sich weiter ein deutlich verlängertes Überleben, jedoch nur noch eine Gesamtfahrtzeit von 39,3 min.
Hier zeigt sich, dass selbst bei einer moderaten Fahrtzeitverlängerung von nur 13,7 min aufgrund der erhöhten Expertise ein Anstieg des 3-Jahres-Überlebens um 17,6% zu verzeichnen ist. Dies unterstreicht den deutlichen Nutzen der längeren Fahrtzeit.
Für Patienten mit Zugang zu einem Auto scheint eine Fahrtzeit unter einer Stunde aufgrund des deutlich verlängerten Überlebens vertretbar. Jedoch müssen für Patienten mit sehr langer Fahrtzeit oder ohne Zugang zu einem Auto praktikable Lösungen gefunden werden, damit der Zugang zur Versorgung nicht erschwert wird.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The definition of minimum quantities in Germany serves to ensure the quality of treatment (Section 136b SGB V). A minimum quantity has also been set for the thoracic surgical treatment of lung cancer, which will be applied from 2024 following a transitional regulation for 2023.
A retrospective cohort study was carried out in collaboration with the local clinical cancer registry to determine the ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The definition of minimum quantities in Germany serves to ensure the quality of treatment (Section 136b SGB V). A minimum quantity has also been set for the thoracic surgical treatment of lung cancer, which will be applied from 2024 following a transitional regulation for 2023.
A retrospective cohort study was carried out in collaboration with the local clinical cancer registry to determine the impact of the minimum quantity on journey times to the operation site for patients in an area state. Data was collected from n=3952 patients with a first diagnosis of lung cancer in the years 2015-2018, from which n=679 patients with primary surgical therapy were selected.
First of all, it was found that the patient's choice of hospital depended on the travel time: patients with a long travel time were more likely to be operated on in a lung cancer centre, while patients with a short travel time often chose treatment close to home in a non-certified centre. Survival was independent of travelling time.
The effect of different minimum quantities (10, 20, 40, 75) on patients' journey times was investigated. Patients treated in a clinic with an achieved minimum quantity (eMM) were compared with patients operated on in a clinic without an achieved minimum quantity (nMM). For all minimum quantities, the eMM group showed significantly longer survival.
A simulation was then carried out in which the patients in the nMM group were sent to the nearest possible hospital with the minimum quantity reached. The additional time spent by the patients increased significantly with increasing minimum quantity and ultimately totaled 34.0 min (57.0 min travel time instead of 23.0 min). The average total journey time for patients was 48.4 min when the minimum quantity was applied.
In a further simulation, in which it was assumed that an additional hospital would be allowed to continue to participate in care through redistribution mechanisms, a significantly longer survival time was again shown, but only a total journey time of 39.3 min.
This shows that even with a moderate increase in journey time of only 13.7 min, the increased expertise results in a 17.6% increase in 3-year survival. This emphasizes the clear benefit of the longer journey time.
For patients with access to a car, a journey time of less than one hour seems justifiable due to the significantly longer survival. However, practical solutions must be found for patients with very long journey times or without access to a car so that access to care is not hindered.