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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-348743
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.34874
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Ort der Veröffentlichung: | Regensburg |
Seitenanzahl: | 225 |
Datum: | 24 November 2016 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Klaus W. Lange |
Tag der Prüfung: | 18 November 2016 |
Institutionen: | Humanwissenschaften > Institut für Psychologie > Lehrstuhl für Psychologie III (Biologische, Klinische und Rehabilitationspsychologie) - Prof. Dr. Klaus W. Lange |
Sonstige Projekte: | Evaluation forensisch-psychiatrischer Ambulanzen in Bayern (EFA) |
Stichwörter / Keywords: | Maßregelvollzug Forensische Nachsorge Forensisch-psychiatrische Ambulanz Deliktische Rückfälle Prognosefaktoren |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 34874 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Die vorliegende Untersuchung dient erstens dazu, die Effektivität forensisch-psychiatrischer Nachsorge hinsichtlich einer Reduktion deliktischer Rückfallquoten auf Seiten bedingt entlassener Maßregelvollzugs(MRV)-Patienten zu untersuchen. Dies erfolgte für Patienten mit psychiatrischen Störungen (§ 63 StGB) erstmalig nach flächendeckender Etablierung forensisch-psychiatrischer Ambulanzen in allen ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Die vorliegende Untersuchung dient erstens dazu, die Effektivität forensisch-psychiatrischer Nachsorge hinsichtlich einer Reduktion deliktischer Rückfallquoten auf Seiten bedingt entlassener Maßregelvollzugs(MRV)-Patienten zu untersuchen. Dies erfolgte für Patienten mit psychiatrischen Störungen (§ 63 StGB) erstmalig nach flächendeckender Etablierung forensisch-psychiatrischer Ambulanzen in allen Ambulanzen eines Bundeslandes (Bayern). Für abhängigkeitserkrankte Patienten (§ 64 StGB) in ambulanter Nachsorge wurde deliktische Rückfälligkeit erstmalig in der BRD untersucht. Zweitens wurden prospektiv anhand multivariater Modelle Prognosefaktoren zur Vorhersage erneuter Straftaten erfasst, was für Patienten gem. § 63 hinsichtlich der Methodik und der Stichprobe, für Patienten gem. § 64 StGB insgesamt die erste entsprechende Untersuchung im deutschsprachigen Raum darstellt.
Zu allen Patienten wurden im Zeitraum 2010 bis 2014 in halbjährlichen Abständen anhand von Fragebögen und anhand diverser Skalen (CGI, GAF, HCR-20) durch die Bezugstherapeuten der Patienten Daten erhoben, zudem Bundeszentralregister-Auskünfte zur Legalbewährung. Die Gesamtstichprobe bestand aus 406 Patienten, darunter 155 Patienten gem. § 63 StGB und 255 Patienten im Bereich § 64 StGB.
Zur Frage der Legalbewährung ergab sich für die Patienten gem. § 63 StGB über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 50.1 Monaten seit der bedingten Entlassung MRV eine Rückfallquote von 9.7 % (0.6 % schwere Delikte). Bei Patienten gem. § 64 StGB zeigte sich über einen Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 40.2 Monaten eine Quote erneuter Delikte von 25.1 % (3.6 % schwere Delikte). In Vergleichen zu früheren Studien entlassener MRV-Patienten ohne systematische Nachsorge (Jehle et al., 2003, 2010), ergaben sich für beide Teilstichproben hochsignifikante Unterschiede in den Rückfallquoten für vergleichbare Beobachtungszeiträume. Konkret ergaben sich bei untersuchten Patienten mit Nachsorge deutlich geringere (ca. bzw. knapp halb so hohe) Rückfallquoten als bei Patienten früherer Studien.
Als Merkmale mit Vorhersagekraft für erneute Straftaten erwiesen sich bei den Patienten gem. § 63 StGB folgende statische Variablen (Messzeitpunkt: Aufnahme in die forensisch-psychiatrische Nachsorge) als signifikant: als Risikofaktoren zunächst das Vorliegen einer Drogenintoxikation beim Anlassdelikt und Wohnen in uneigenständiger, jedoch nicht betreuter Wohnform in Zusammenhang. Ferner wurden Patienten ohne jegliche Bedrohungen oder tätlichen Verhaltensweisen gegenüber dem Personal im stationären MRV häufiger deliktisch rückfällig. Darüber hinaus stand ein höheres allgemeines Funktionsniveau der Patienten bei Aufnahme in die Nachsorge im Zusammenhang mit höherer Rückfallwahrscheinlichkeit. Als signifikante dynamische Risikofaktoren mit Bezug auf die vergangenen sechs Monate der ambulanten Nachsorge erwiesen sich bei den Patienten gem. § 63 StGB die folgenden: uneigenständiges, nicht betreutes Wohnen, anhaltender Subtanzmissbrauch und eine kürzere ambulante Behandlungsdauer.
Bei den abhängigkeitserkrankten Patienten ergaben sich folgende signifikante statische Prognosefaktoren: Mit höherer Rückfallwahrscheinlichkeit gingen begangene Tötungsdelikte und Straftaten gegen anonyme Opfer einher, mit geringerer Rückfälligkeit eine abgeschlossene Ausbildung oder Lehre, eine hohe Offenheit während des stationären MRV und eine längere stationäre Behandlungsdauer im MRV. Darüber hinaus gingen zum Aufnahmezeitpunkt höhere Werte auf einem Instrument zur Risikoeinschätzung und ein höheres Ausmaß globaler Erkrankung mit höherer Wahrscheinlichkeit für erneute Straftaten einher. Schließlich ergaben sich folgende dynamische Prognosefaktoren bei den Patienten gem. § 64 StGB: Als prognostisch ungünstig erwies sich eine hohe Anzahl regelmäßiger extrafamiliärer Kontakte, mit geringerer Rückfallwahrscheinlichkeit hingen realistische subjektive Zukunftspläne zusammen sowie eine längere Behandlungsdauer in der ambulanten Nachsorge. Zudem zeigte sich anhand der verwendeten Skalen, dass ein aktuell niedrigeres globales Funktionsniveau und ein höheres Ausmaß an Erkrankung mit höherer Rückfallwahrscheinlichkeit einhergingen.
Aus den Ergebnissen zu Prognosefaktoren zur Vorhersage deliktischer Rückfälle bei MRV-Patienten in ambulanter Nachsorge ergeben sich u. a. einige praktische Implikationen, z. B. hinsichtlich gutachterlicher Fragestellungen sowie therapeutischer Vorgehensweisen. Somit leistet die dargelegte Studie einen Beitrag, die Arbeit im jungen Feld forensisch-psychiatrischer Nachsorge auf Basis empirischer Erkenntnisse zu optimieren und im Sinne der Behandlung der Patienten und zum Schutz der Bevölkerung möglichst effektiv zu gestalten.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The study’s aims were 1) investigating the effectiveness of forensic aftercare in terms of a reduction in criminal recidivism by forensic patients after conditional release from inpatient treatment and 2) identifying risk factors for reoffending in forensic patients in outpatient aftercare by conducting multivariate analyses (logistic and Cox-regression) in a prospective study design. Data were ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The study’s aims were 1) investigating the effectiveness of forensic aftercare in terms of a reduction in criminal recidivism by forensic patients after conditional release from inpatient treatment and 2) identifying risk factors for reoffending in forensic patients in outpatient aftercare by conducting multivariate analyses (logistic and Cox-regression) in a prospective study design.
Data were collected by the patient’s therapists in the 13 Bavarian forensic aftercare facilities via questionnaires and validated instruments/scales (CGI, GAF, HCR-20) from 2010 to 2014 in six month-intervals. Criminal recidivism was assessed via official criminal records. 406 forensic patients were included, thereof 155 patients suffering from psychiatric disorders (German Criminal Code (GCC) § 63) and 251 patients with substance abuse problems (GCC § 64).
For psychiatric patients (GCC § 63) the criminal recidivism rate was 9.7 % in a mean time at risk (since conditional release) of 50.1 months, for substance abuse patients (GCC § 64) criminal recidivism rate was 25.1 % (mean time at risk: 40.2 months). Comparisons with former studies of samples without systematic forensic aftercare (Jehle et al., 2003, 2010) showed highly significant differences in recidivism rates over similar follow up-periods: Recidivism rates of patients with aftercare were about half (GCC § 63) or almost half (GCC § 64) as high as for patients without aftercare in earlier studies.
For psychiatric patients (GCC § 63) the following static risk factors (measured at the time of admission to forensic aftercare) were found significant: drug intoxication during the last criminal act and living with others (relatives, friends) without professional assistance. Further, patients without any acts of threat or violence against staff in inpatient forensic clinics showed a higher likelihood for reoffending, as well as patients with higher global levels of functioning did. Dynamic risk factors (assessed in the last 6 month-period of aftercare for all patients) for psychiatric patients were: again living with other persons without any professional supervision, ongoing substance abuse and a shorter aftercare treatment period.
For substance abuse patients (GCC § 64) the following static risk factors were found: homicide and crimes against anonymous victims in the last criminal act before conviction. Further, some static protective factors were identified: a completed apprenticeship, high openness towards inpatient treatment staff and a longer time of inpatient treatment. Furthermore, higher scores on a risk assessment instrument (HCR-20) and higher estimated degrees of general disease correlated with a higher reoffending risk. Finally, a high number of regular extra-familial social contacts was found to be a dynamic risk factor in patients with substance related disorders. Significant dynamic protective factors were: a realistic subjective future perspective and a longer duration of outpatient aftercare. Screening scales showed that higher levels of general disease and lower levels of global functioning (at the end of the assessment period) correlated with a higher risk criminal recidivism in the sample of patients with substance abuse problems.
Some practical implications result from the study’s findings: They may have relevance for legal experts and courts in legal decisions (risk assessment for parole, release or readmission to inpatient treatment facilities) or for therapeutic concepts and methods in outpatient forensic facilities (high treatment intensity for certain subgroups of patients, treatment plans and aims). Altogether the conducted study could be seen as an evidence-based contribution to make forensic aftercare an effective tool for both reasonable treatment and protecting society from criminal reoffending.
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 21:53