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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-254921
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.25492
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 30 Juli 2012 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Göran Hajak und Prof. Dr. Wilhelm Schulte-Mattler |
Tag der Prüfung: | 20 Juli 2012 |
Institutionen: | Medizin > Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie |
Stichwörter / Keywords: | Moralität, neuronale Korrelate, Jugendliche |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 25492 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Ziel der vorliegenden Arbeit war es die neurobiologischen Korrelate moralischen Urteilens bei 14- bis 16-jährigen Jugendlichen zu erforschen. Zu diesem Zweck wurde mittels der funktionellen Bildgebung die Aktivierung derjenigen Hirnareale detektiert, die an diesem komplexen Entscheidungsprozess beteiligt sind. In gleicher Weise wurde ein Probandenkollektiv von Erwachsenen untersucht und die ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Ziel der vorliegenden Arbeit war es die neurobiologischen Korrelate moralischen Urteilens bei 14- bis 16-jährigen Jugendlichen zu erforschen. Zu diesem Zweck wurde mittels der funktionellen Bildgebung die Aktivierung derjenigen Hirnareale detektiert, die an diesem komplexen Entscheidungsprozess beteiligt sind. In gleicher Weise wurde ein Probandenkollektiv von Erwachsenen untersucht und die jeweiligen Ergebnisse der beiden Altersgruppen miteinander verglichen.
Die Probanden wurden in den durchgeführten Untersuchungen dazu angehalten sowohl moralische als auch neutrale Konfliktsituationen mit vorgegebenen Lösungsoptionen zu bewerten. Im Fokus des wissenschaftlichen Interesses standen die hierbei auftretenden neuronalen Aktivierungen der Moralareale, welche durch die funktionelle Kernspintomographie für den Kontrast Moral > Neutral ermittelt wurden.
Während sich die Studienlage zur Moralität von Jugendlichen bisher eher dürftig darstellt, gibt es zum moralischen Entscheiden von Erwachsenen bereits eine Reihe bildgebender Untersuchungen. Diese kamen allesamt zu dem Ergebnis, dass ein komplexes Netzwerk an Hirnarealen zur Bearbeitung moralischer Fragestellungen nötig sei, welches u. a. den medialen präfrontalen Kortex, den dorsolateralen präfrontalen Kortex, den superioren temporalen Sulcus und den orbitofrontalen Kortex umfasse (Greene et al., 2001; Moll et al., 2002a; 2002b; Sommer et al., 2010). Die bisherigen Studien arbeiteten jedoch fast alle mit alltagsfernen, strafrechtlich relevanten Dilemmata. Dagegen stellten wir an unsere Konflikte den Anspruch, die Lebenswirklichkeit unserer Probanden möglichst realistisch darzustellen. Somit bestand hinsichtlich der erwachsenen Probanden die Möglichkeit, die von uns detektierten Aktivierungen nochmals kritisch mit bisher bekannten Moralarealen zu vergleichen. Mit dem Nachweis der Aktivierung ventraler, dorsaler und orbitaler Anteile des präfrontalen Kortex, der temporo-parietalen Junktion, des mittleren und oberen Temporallappens und Präcuneus, des Gyrus parahippocampalis und des Gyrus fusiformis konnten diese Untersuchungsergebnisse erneut repliziert werden. Zudem wird sowohl die These zur Existenz eines Moralnetzwerks gestützt als auch gezeigt, dass diese Gehirnareale nicht nur in menschlichen Extremsituationen sondern auch bei Alltagsentscheidungen aktiv sind.
Was die Jugendlichen betrifft, so erwarteten wir aufgrund der postulierten neuronalen Umbauprozesse sowie des damit einhergehenden pubertären Leistungsknicks ein „schlechteres“ Abschneiden auf der Verhaltensebene im Sinne einer größeren Anzahl unmoralischer Antworten im Vergleich zu den Erwachsenen. Bezüglich der fMRT-Daten gingen wir von einer Mehraktivierung der Jugendlichen (z.B. der Amygdalae oder des anterioren cingulären Kortexes) aus als Zeichen einer höheren emotionalen und kognitiven Arbeitsleistung des noch unerfahrenen, moralisch inkompetenteren adoleszenten Gehirns.
Entgegen dieser aufgestellten Hypothesen zeigten sich weder auf Verhaltensebene, noch im Bezug auf die neuronalen Aktivierungen signifikante Unterschiede zwischen den Probandengruppen: Es wurden wie in der Erwachsenengruppe Regionen wie VMPFC, DMPFC, OFC, STS und TPJ aktiviert. Somit waren keine wesentlichen altersabhängigen Besonderheiten nachweisbar. Lediglich der rechte Gyrus parahippocampalis, der Gyrus occipitalis medius und der Gyrus fusiformis zeigten für die Bedingung M > N eine Mehraktivierung beim jugendlichen im Vergleich zum erwachsenen Probandenkollektiv. Als Ergebnis der vorliegenden Studie zeigt sich somit, dass das Moralnetzwerk bei Jugendlichen schon so ausgereift zu sein scheint, dass eine subjektiv plausible Entscheidungsfindung möglich ist. Diese Folgerung steht im Einklang mit den Verhaltensdaten. Der pubertäre Leistungsabfall scheint zumindest auf das moralische Entscheiden keinen Einfluss zu haben. Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich die Frage, bis zu welchem Lebensalter die Kompetenz zum moralischen Reasoning noch nicht vorhanden ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist deshalb die entsprechende Untersuchung eines jüngeren Probandenkollektivs (z.B. Kinder im Alter von 8-12 Jahren) sinnvoll. Die gefundenen neuronalen Aktivierungen verdeutlichen des Weiteren, dass moralisches Urteilen die Intaktheit vieler sozialer Teilbereiche erfordert. So spielen sowohl Emotionen als auch die Fähigkeit zur Empathie, zur Perspektivenübernahme und zum logischen Abwägen über Vor- und Nachteile eine große Rolle.
Die Mehraktivierungen im Gyrus parahippocampalis, Gyrus occipitalis medius und im Gyrus fusiformis könnten darauf hindeuten, dass die Jugendlichen durch die Konfliktszenarien emotional stärker gefordert sind. Die Mehraktivierungen dieser Regionen, die insbesondere mit dem Empfinden negativer Gefühle in Zusammenhang gebracht werden (Koelsch & Fritz, 2007), könnte ein Resultat dieser „moralischen Zwickmühle“ darstellen. Es stellt sich auch die Frage, ob sich bei entsprechenden Untersuchungen Defizite in den erwähnten sozialen Teilbereichen durch ein abweichendes Aktivierungsmuster bildgebend detektieren lassen. Von Interesse wäre deshalb eine Vergleichsuntersuchung mit gleichaltrigen Probanden, welche ein deutlich auffälliges Moralverhalten zeigen. Neben den strukturellen Hirnveränderungen beeinflussen auch die individuelle Erziehung und das sozio-kulturelle Umfeld das moralische Handeln des Adoleszenten. Daraus ergeben sich weitergehende Forschungsansätze durch vergleichende Untersuchungen bei Probanden aus unterschiedlichen kulturellen und sozialen Gesellschaftsstrukturen.
Als Schlussfolgerung aus der vorliegenden Arbeit ergibt sich somit die Sinnhaftigkeit weiterer Untersuchungen für ein umfassendes Verständnis der Entwicklung der menschlichen Moralität.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Conclusion The present study aimed at investigating the neural correlates of moral judgment in adolescents aged from 14 to 16 years. Therefore we detected in an fMRI study the activation of brain areas taking part in this complex decision-making process. Furthermore we examined adult test persons in the same experimental trial in order to compare both age groups concerning the patterns of ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
Conclusion
The present study aimed at investigating the neural correlates of moral judgment in adolescents aged from 14 to 16 years.
Therefore we detected in an fMRI study the activation of brain areas taking part in this complex decision-making process. Furthermore we examined adult test persons in the same experimental trial in order to compare both age groups concerning the patterns of activation.
Currently few studies have explored neural correlats of decision making in adolescence, whereas the last few years have seen a growing interest in the neural correlates of moral reasoning in adults. A number of studies revealed that moral decisions are associated with increased activity in a variety of brain areas including the medial frontal cortex, the temporal cortex, the temporo-parietal junction and the parietal cortex (Greene et al., 2001; Moll et al., 2002a; 2002b; Sommer et al., 2010).
The present fMRI study is the first that investigates everyday moral conflict situations in healthy subjects aged 14 to 16. As research indicates that parts of the social brain undergo structural and functional development, including synaptic reorganization, during adolescence, we predicted that there would be a difference between adolescents and adults concerning behavioral as well as neuronal data. Regarding the postulated pubertal dip we claimed adolescents would performe worse than adult subjects, that is to say acting in a personal-oriented hedonic way. Besides, according to studies which describe a decline of frontal activation between adolescence and adulthood, we expected a greater number of activated brain areas in adolescents in comparison with adult test persons.
Both groups of subjects were presented with verbal stories describing conflicts with either moral or neutral content. The moral stories described conflicts requiring a decision between a personal desire and a conflicting moral standard, whereas the neutral conflicts required a decision between two conflicting personal desires.
In both groups, when compared to neutral conflicts, moral conflicts elicited higher activity in a wide spread neural network including the ventral, dorsal and orbital medial prefrontal cortex, the superior temporal sulcus, the temporo-parietal junction and the precuneus. Except gyrus occipitalis medius, gyrus parahippocampalis and gyrus fusiformis, which showed significant levels of activation in adolescents, we therefore obtained the same network of brain areas involved in moral decision-making for both age groups.
As a result the present data replicated once more that moral cognition necessitates the coordination of multiple cognitive and emotional processes and emphasized that there is no brain area exclusively dedicated to moral reasoning.
Additionally, the results expand previous findings by showing that cortical areas associated with moral cognition are not only involved in reasoning about abstract moral dead-or-alive-dilemmas but also in moral decisions concerning harmless everyday situations.
Focusing on the findings regarding the adolescent group we argued that brain structures for moral judgment are already fully developed in order to make a plausible decision. This hypothesis is supported by behavioral data which doesn’t show a difference between the two groups of subjects.The significant increased activity in the gyrus parahippocampalis, gyrus frontalis and gyrus fusiformis could indicate a greater emotional involvment of adolescents. As these areas are especially linked to negative emotions (Koelsch & Fritz, 2007), this age group could analyse feelings like shame, fear or anger in a more intensive way than adults do. One possibility is that adults are more adept at every-day moral decision-making.
To answer the question of whether the cultural and/or cognitive characteristics of the subject sample have any effect on the observed neural and behavioural responses, for further studies it would be interesting to compare the neural correlates of adolescents with different cultural and social backgrounds. The study of moral judgment in adolescence is likely to have important implications for society, as well as for mental illnesses that often have their onset in this lifespan.
Metadaten zuletzt geändert: 26 Nov 2020 04:19