Zusammenfassung
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kennt einzelne Garantien wie das Folterverbot, die einen absoluten, materiellen Mindeststandard festschreiben. Viel häufiger werden ihre Mindeststandards jedoch relativ, durch Abwägung, bestimmt, so etwa bei der Meinungs- und der Religionsfreiheit. Dabei besteht die Gefahr einer Vollharmonisierung, die besonders groß wird, wenn der Europäische ...
Zusammenfassung
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kennt einzelne Garantien wie das Folterverbot, die einen absoluten, materiellen Mindeststandard festschreiben. Viel häufiger werden ihre Mindeststandards jedoch relativ, durch Abwägung, bestimmt, so etwa bei der Meinungs- und der Religionsfreiheit. Dabei besteht die Gefahr einer Vollharmonisierung, die besonders groß wird, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Dreieckskonstellationen widerstreitende Individualrechtspositionen abwägt. Dem sucht der EGMR auf der verfahrensrechtlichen Ebene mit der Einräumung von Beurteilungsspielräumen auszuweichen, was allerdings materielle Maßstäbe manchmal bis zur Beliebigkeit aufzulösen droht, wenn der EGMR beispielsweise das Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum trotz schwerer Bedenken hinnimmt. Am Ende steht der Verzicht auf materielle gemeineuropäische Mindeststandards, wenn der EGMR nur noch landesspezifische Maßstäbe zu bestimmen versucht, wie es bei der Forderung nach Anerkennung einer eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare in Italien geschehen ist.