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- URN to cite this document:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-435091
- DOI to cite this document:
- 10.5283/epub.43509
Item type: | Thesis of the University of Regensburg (PhD) |
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Open Access Type: | Primary Publication |
Date: | 27 July 2020 |
Referee: | Prof. Dr. Ekkehard Haen |
Date of exam: | 23 June 2020 |
Institutions: | Medicine > Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie |
Keywords: | potentiell inadäquate Medikation, PRISCUS-Liste, Arzneimittelsicherheit, Gerontopsychiatrie, unerwünschte Arzneimittelwirkungen |
Dewey Decimal Classification: | 600 Technology > 610 Medical sciences Medicine |
Status: | Published |
Refereed: | Yes, this version has been refereed |
Created at the University of Regensburg: | Yes |
Item ID: | 43509 |
Abstract (German)
Einleitung: Aufgrund veränderter physiologischer Funktionen und einer damit einhergehenden veränderten Verträglichkeit von Arzneimitteln, sowie Multimorbidität und einer daraus resultierenden Polypharmazie, stellt der geriatrische Patient eine therapeutische Herausforderung dar. Diese Gegebenheiten führen dazu, dass ältere Patienten ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen ...
Abstract (German)
Einleitung:
Aufgrund veränderter physiologischer Funktionen und einer damit einhergehenden veränderten Verträglichkeit von Arzneimitteln, sowie Multimorbidität und einer daraus resultierenden Polypharmazie, stellt der geriatrische Patient eine therapeutische Herausforderung dar. Diese Gegebenheiten führen dazu, dass ältere Patienten ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) haben. Eine Zusammenstellung von Wirkstoffen, die auf Grund ihres vermehrten Auftretens von UAW als potentiell inadäquat für den Patienten ab einem Alter von 65 Jahren gelten, stellt die 2010 veröffentlichte PRISCUS-Liste dar. Anhand der PRISCUS-Liste wurden in dieser Arbeit potentiell inadäquate Wirkstoffe (PIW) identifiziert und auf ihre Auswirkungen hinsichtlich des Auftretens von UAW untersucht.
Methode:
In dieser Anwendungsbeobachtung, die im Rahmen einer nicht-interventionellen Kohortenstudie durchgeführt wurde, wurden die Daten gerontopsychiatrischer Patienten des Bezirksklinikums in Regensburg im Zeitraum zwischen Februar 2014 und April 2016 erhoben. Die Medikation und der klinische Verlauf der Patienten wurden während ihres gesamten stationären Aufenthaltes in wöchentlichen Abständen erhoben. Anhand der Dokumentation des medizinischen Personals wurde nach Symptomen, die im Zusammenhang mit der verordneten Medikation stehen, gesucht. Die Plausibilität und Kausalität des Zusammenhangs zwischen Medikation und Auftreten von UAW wurde in Fallkonferenzen mit drei Doktorandinnen (zwei Studentinnen der Humanmedizin, eine approbierte Apothekerin), einem klinischen Pharmakologen und einer Fachärztin für Pharmakologie und Toxikologie überprüft. Anschließend erfolgte eine statistische Auswertung der erhobenen Daten und UAW.
Ergebnisse:
Die Studienpopulation bestand aus 304 Patienten, darunter 57,6% Frauen. Das durchschnittliche Alter der Studienpopulation lag bei 77,9 +/- 7,1 Jahren. Die durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer der Patienten betrug 20,9 +/- 12,1 Tage.
Über die Hälfte der Patienten (51,6%) waren demenzkrank. Bei 43,1% der Patienten lag eine affektive Störung, bei 17,5% der Patienten eine Substanzmissbrauch/-abhängigkeit und bei 11,5% der Patienten eine Schizophrenie vor. Bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten (165 von 304 Patienten; 54,3%) lag nur eine psychiatrische Diagnose vor, während bei 130 Patienten (42.8%) mindestens zwei psychiatrische Diagnosen vorlagen.
Vor ihrer stationären Aufnahme erhielten 29,9% der Patienten mindestens einen PIW. Risikofaktoren für die Verordnung von PIW vor Aufnahme waren: Schizophrenie (OR = 4,793, p < 0,001), Substanzmissbrauch/-abhängigkeit (OR = 2,420, p = 0,011) sowie die Gesamtzahl der vorordneten Wirkstoffe (OR = 1,142, p = 0,001 pro verordnetem Wirkstoff). Das Vorliegen einer Demenz galt dahingegen als protektiver Faktor (OR = 0,381, p = 0,002). Insgesamt lagen 117 PIW-Verordnungen vor. Am häufigsten wurden die Wirkstoffe Doxepin (18 Verordnungen), Haloperidol und Amitriptylin (jeweils 9 Verordnungen), Olanzapin (8 Verordnungen) und Trimipramin (6 Verordnungen) verordnet.
Bei Entlassung lag die Verordnungsprävalenz von PIW bei 22,0%. Dies entspricht einer statistisch signifikanten Senkung der PIW-Verordnungsprävalenz gegenüber dem Zeitpunkt der Aufnahme um 26%. Die Risikofaktoren für mindestens eine PIW-Verordnung bei Entlassung waren: Schizophrenie (OR = 6,111, p < 0,001) und steigende Anzahl an verordneten Wirkstoffen (OR = 1,169, p = 0,001 pro verordneten Wirkstoff). Demenz war weiterhin ein protektiver Faktor (OR = 0,487, p = 0,042). Vermehrt wurden von den behandelnden Ärzten auf das Alter der Patienten geachtet: Pro steigendes Lebensjahr sank das Risiko einen PIW zu erhalten um 7,4% (OR = 0,926, p = 0,003). Insgesamt lagen bei Entlassung 82 PIW-Verordnungen vor, worunter am häufigsten Haloperidol (20 Verordnungen) und Doxepin (16 Verordnungen) verordnet wurden.
Prästationär und während des stationären Aufenthaltes wurden insgesamt 468 UAW beobachtet, worunter 171 der Fälle unter Mitwirkung von mindestens einem PIW auftraten. Am häufigsten wurden unerwünschte psychiatrische Symptome – vor allem übermäßige Sedierung/Müdigkeit/Überhang, Substanzmissbrauch/-abhängigkeit und kognitive Verschlechterung/Verwirrtheit – unter PIW-Beteiligung beobachtet (69 Fälle). Zum Auftreten dieser Symptome führten vor allem stark anticholinerg wirksame Wirkstoffe wie Doxepin, sowie Benzodiazepine und andere Sedativa. Am zweithäufigsten traten UAW mit neurologischen Symptomen auf (32 Fälle). Primäre UAW war hier das Auftreten von extrapyramidalmotorische Störungen (18 Fälle), die am häufigsten durch den PIW Haloperidol mitverursacht wurden.
UAW, die sich im Auftreten von peripheren anticholinergen Symptomen (u.a. Obstipation, Mundtrockenheit, Tachykardie) präsentierten, traten ebenfalls vermehrt bei mit PIW behandelten Patienten auf. Von großer Bedeutung waren zudem Stürze. Bei 21 Patienten wurden Stürze mit Beteiligung von PIW beobachtet, die verschiedenen Ursachen wie Hypotonie, Müdigkeit/Sedierung, Gangunsicherheit hatten, oder auch unklarer bzw. multifaktorieller Genese waren.
Eine multivariate Risikofaktorenanalyse zeigte, dass Patienten, die mindestens einen PIW erhielten ein 5-fach erhöhtes Risiko hatten mindestens eine UAW zu erleiden (OR = 5,018, p < 0,001). Das Risiko eine UAW zu erleiden hing zusätzlich von der Anzahl der verordneten PIW ab. Erhielt der Patient einen PIW, so war sein Risiko eine UAW zu erleiden 4-fach erhöht (OR = 3,994, p = 0,004). Erhielt der Patient zwei oder mehr PIW, so stieg das Risiko um fast das 6-fache an (OR = 5,825, p < 0,001). Das Risiko für das Auftreten von UAW war auch von der Gesamtzahl der verordneten Wirkstoffe abhängig. Jeder verabreichte Wirkstoff erhöhte das UAW-Risiko um ca. 9% (OR = 1,092, p = 0,040).
Insgesamt erhielten 45,0% (137 von 304) der Patienten zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen Aufnahme und Entlassung mindestens einen PIW. Unter diesen erlitten 69,3% (95 von 137) der Patienten mindestens eine UAW mit PIW-Beteiligung. Weitere 19,0% (26 von 137) dieser Patienten erlitten UAW, an denen keine PIW kausal beteiligt waren und nur 11,7% dieser mit PIW behandelten Patienten erlitten während des Beobachtungszeitraums gar keine UAW. Das bedeutet, dass von den 121 Patienten, die PIW bekamen, 78,5% der Patienten (95 von 121 mit PIW-behandelten Patienten) mindestens eine UAW erlitten, die mit den verordneten potentiell inadäquaten Wirkstoffen im kausalen Zusammenhang stand.
Abschließend wurde analysiert, welche Faktoren einen Einfluss auf die Länge des stationären Aufenthaltes hatten. Im Durchschnitt war ein Patient mit mindestens einer UAW fünf Tage länger (23,0 +/- 16,7 Tage, p = 0,017) in stationärer Behandlung als ein Patient, der keine UAW erlitt (18,0 +/- 15,4 Tage, p = 0,017).
Schlussfolgerungen:
In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Wirkstoffe, die gemäß der PRISCUS-Liste als „potentiell inadäquat“ bezeichnet werden, mit einem höheren Risiko für das Auftreten von UAW assoziiert sein können. Das vermehrte Auftreten von UAW kann in Zusammenhang mit einem längeren Krankenhausaufenthalt gebracht werden. Die Bewertung der jeweiligen UAW, an denen PIW kausal beteiligt waren, entspricht nicht immer den in der PRISCUS-Liste aufgeführten Begründungen für den jeweiligen Wirkstoff. In 63,1% der Fälle der UAW mit PIW-Beteiligung wurde das aufgetretene Symptom in der PRISCUS-Liste genannt. So hat die PRISCUS-Liste durchaus einen Nutzen, UAW unter Verordnung von PIW „vorherzusehen.“
Es ist nicht sinnvoll, alle Wirkstoffe, die in der PRISCUS-Liste genannt werden, gänzlich zu vermeiden. Im Mittelpunkt einer erfolgreichen Arzneimitteltherapie stehen weiterhin der Patient und seine individuellen Bedürfnisse. Vielmehr wäre es wünschenswert, bei diesen Wirkstoffen eine gründliche Risiko-Nutzen-Abwägung durchzuführen ehe sie angewandt werden, sowie eine vermehrte Aufmerksamkeit für eventuell auftretende Komplikationen zu entwickeln.
Translation of the abstract (English)
Introduction: Due to changes in physiological functions and the associated altered tolerability of drugs, as well as multimorbidity resulting in polypharmacy, geriatric patients are more susceptible to develop adverse drug reactions (ADRs). Thus, the treatment of geriatric patients is often a challenge. The PRISCUS-list was published in 2010 and is a compilation of drugs that are considered to ...
Translation of the abstract (English)
Introduction:
Due to changes in physiological functions and the associated altered tolerability of drugs, as well as multimorbidity resulting in polypharmacy, geriatric patients are more susceptible to develop adverse drug reactions (ADRs). Thus, the treatment of geriatric patients is often a challenge. The PRISCUS-list was published in 2010 and is a compilation of drugs that are considered to be “potentially inappropriate” for patients aged 65 or older. The drugs listed are considered to have a higher risk of causing ADRs. This study aims to analyze the influence of the prescription of potentially inappropriate drugs (PIDs) on the occurrence of ADRs.
Methods:
This study was designed as a non-interventional cohort study. Data collection was performed on three geriatric psychiatric wards of Bezirksklinikum Regensburg from February 2014 to April 2016. Over the course of inpatient treatment, medication and patient wellbeing were observed using electronic documentation on a weekly basis throughout inpatient stay. The medical staff's documentation was used to look for symptoms related to the prescribed medication. The plausibility and causality of the relationship between medication and the occurrence of ADRs was assessed in case conferences with a clinical pharmacologist and/or a specialist in pharmacology and toxicology. Subsequently, a statistical analysis of the collected data and UAW was performed.
Results:
The study population consisted of 304 patients (57.6% women) with a mean age of 77.9 +/- 7.1 years. The average length of inpatient stay was 20.9 +/- 12.1 days. Most common diagnosis among patients was dementia (51.6% of patients). 43.1% of patients suffered from an affective disorder, 17.5% suffered from substance abuse/dependency, 11.5% suffered from schizophrenia. Over half of patients (165 out of 304 patients; 54.3%) were diagnosed with only one psychiatric diagnosis, while 130 (42.8%) patients had at least two psychiatric diagnoses.
Prior to admission to inpatient care, 29.9% of patients were prescribed at least one PID. Risk factors for the prescription of PID prior to hospitalization were schizophrenia (OR = 4.793, p-value = 0.001), substance abuse/dependency (OR = 2.420, p-value = 0.011), and the total number of prescribed drugs (OR = 1.142, p-value = 0.001 per prescribed drug). Dementia, on the other hand, was a protective factor (OR = 0.381, p-value = 0.002). A total of 117 PID prescriptions were observed upon admission to hospital care. The most common prescriptions of PID were doxepin (18 prescriptions), haloperidol and amitriptyline (9 prescriptions each), olanzapine (8 prescriptions), and trimipramine (6 prescriptions).
Upon discharge, 22.0% of patients were prescribed at least one PID, showing a statistically significant reduction in the prescription of PIDs by 26% compared to the time of admission to hospital. The risk factors for the prescription of one or more PID at discharge were schizophrenia (OR = 6.111, p = 0.001) and increasing number of prescribed drugs (OR = 1.169, p-value = 0.001 per prescribed drug). Dementia remained a protective factor (OR = 0.487, p-value = 0.042), while more attention was paid to the age of the patients: per increasing year in age, the risk of being prescribed PIDs decreased by 7.4% (OR = 0.926, p-value = 0.003). A total of 82 prescriptions of PID were observed upon discharge, most commonly haloperidol (prescribed 20 times) and doxepin (prescribed 16 times).
A total of 468 ADRs were observed either upon admission or during inpatient care. 171 of the ADRs were associated with at least one PID. Most commonly, ADRs presented as psychiatric symptoms – especially excessive sedation/fatigue/overhang, substance abuse/dependency, and cognitive impairment/confusion. PIDs were associated with the occurrence of psychiatric ADRs in 69 cases. These ADRs were primarily associated with drugs with strong anticholinergic properties such as doxepin, as well as benzodiazepines and other sedative drugs. ADRs presented with neurological symptoms were second most common (32 cases), mainly presenting as extrapyramidal symptoms (18 cases), most frequently caused by haloperidol.
ADRs presenting in the occurrence of peripheral anticholinergic symptoms (e.g. constipation, dry mouth, tachycardia), were more often observed among patients treated with PIDs. Further, falls (e.g. caused by hypotension, fatigue/sedation, gait instability) constituted 21 cases of ADRs.
A multivariate logistic regression analysis showed that patients who were prescribed at least one PID had a 5-fold increased risk of suffering from at least one ADR (OR = 5.018, p = 0.001). The risk of suffering from an ADR was also associated with the number of PIDs prescribed. Patients treated with only a single PID had a 4-fold increased risk of suffering from an ADR (OR = 3.994, p = 0.004), while patients treated with two or more PID had a nearly 6-fold increased risk (OR = 5.825, p = 0.001). The risk of suffering from ADRs was also associated with the total number of prescribed drugs: Each prescribed drug increased the risk for suffering from an ADR by approximately 9% (OR = 1.092, p = 0.040).
Overall, 45.0% (137 out of 304) of patients were prescribed at least one PID at any time point between admission to hospital and discharge. Among these, 69.3% (95 out of 137) of patients suffered from at least one ADR causally associated with one or more PIDs. Further, 19.0% (26 out of 137) of these patients suffered from at least one ADR without causal involvement of at least one PID. Only 11.7% of patients treated with PIDs did not show any ADRs during the observation period. This means that of the 121 patients who were treated with PIDs, 78.5% of patients (95 out of 121 patients treated with PIDs) suffered from at least one ADR which was causally associated with the prescribed PID.
Finally, factors associated with the length of the inpatient stay were analyzed. A patient suffering from an ADR spent a mean of five days longer in inpatient care (23.0 +/- 16.7 days, p = 0.017) than patients who did not present with ADRs (18.0 +/- 15.4 days, p = 0.017).
Conclusion:
This studies shows that drugs deemed as “potentially inappropriate" according to the PRISCUS list may be associated with a higher risk of causing ADRs. The increased incidence of ARDs can be associated with a longer hospital stay. The PID-associated ADRs did not always correspond to the justifications given in the PRISCUS-List as to why this drug has been deemed “potentially inappropriate”. However, the PRISCUS-List was able to “predict” 63.1% of ADRs associated with PIDs.
Eliminating the use of PIDs as mentioned by the PRISCUS-List does not guarantee an “appropriate” medication. In order to establish an appropriate drug regime, the patient’s individual circumstances need to be carefully considered. Primary focus should always be a thorough assessment of potential risks and benefits of any medication before it is prescribed and the implementation of safety measures to insure potential ADRs can be recognized on time.
Metadata last modified: 25 Nov 2020 16:19