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Dokumentenart: | Buchkapitel |
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ISBN: | 3-7815-0912-5 (Klinkhardt) |
Buchtitel: | Wörterbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik |
Verlag: | Klinkhardt |
Ort der Veröffentlichung: | Bad Heilbrunn |
Seitenbereich: | 276–278 |
Datum: | 1999 |
Institutionen: | Humanwissenschaften > Institut für Erziehungswissenschaften > Lehrstuhl für Pädagogik III (Prof. Dr. Hans Gruber) |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 300 Sozialwissenschaften > 370 Erziehung, Schul- und Bildungswesen |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Unbekannt / Keine Angabe |
An der Universität Regensburg entstanden: | Unbekannt / Keine Angabe |
Dokumenten-ID: | 26359 |
- Lernen. (Eingebracht am 17 Okt 2012 11:37) [Gegenwärtig angezeigt]
Zusammenfassung
Lernen Lernen ist ein Sammelbegriff für Prozesse, die bei einem Individuum zum Erwerb oder zur Veränderung von Wissen oder Fertigkeiten und so zu höherer Kompetenz führen. Der Aspekt der individuellen Kompetenzsteigerung führte dazu, daß lange Zeit lediglich die Einzelperson und deren Lernprozesse beachtet wurden. Neuere Modelle berücksichtigen, daß jegliche Lernaktivität in einen sozialen und ...
Zusammenfassung
Lernen
Lernen ist ein Sammelbegriff für Prozesse, die bei einem Individuum zum Erwerb oder zur Veränderung von Wissen oder Fertigkeiten und so zu höherer Kompetenz führen. Der Aspekt der individuellen Kompetenzsteigerung führte dazu, daß lange Zeit lediglich die Einzelperson und deren Lernprozesse beachtet wurden. Neuere Modelle berücksichtigen, daß jegliche Lernaktivität in einen sozialen und gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. In der Psychologie entstanden verschiedene Schulen, die sich vor allem mit Lernprozessen beschäftigten. Im Behaviorismus wurden das klassische Konditionieren und das operante Konditionieren einfacher Reiz-Reaktions-Muster als zentrale Lernprozesse bei Mensch und Tier identifiziert. Die Gestaltspsychologie fokussierte als zentrale Lernvorgänge das Erkennen der Struktur von Problemen und das Umstrukturieren von Problemen, das zur Einsicht führt. In der Kognitionspsychologie wird Lernen vornehmlich mit dem Erwerb von gut organisierten Gedächtnis und Wissensstrukturen sowie dem Erwerb von Fertigkeiten und prozeduralen Regeln gleichgesetzt. Insbesondere wird Lernen damit auch unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung von Expertenleistungen betrachtet. Gegenstand der Analyse von Lernprozessen sind hier nicht mehr elementare Reaktionen, sondern komplexe Muster von Verhaltensweisen, die es erforderlich machen, daß das soziale Umfeld, in dem sich die Lernenden befinden, beachtet wird. Dies kann entweder dadurch erfolgen, daß die Lernsituation selbst soziale Komponenten enthält (etwa beim Modell-Lernen oder beim kooperativen Lernen) oder aber dadurch, daß Lernen und Kompetenzerwerb auch beinhaltet, sich in eine soziale Gemeinschaft, z. B. in eine "Expertengemeinde", einzufügen. Damit ist impliziert, daß Lernen nicht unabhängig von späteren Anwendungssituationen für das Gelernte gesehen werden darf (-> Lerntransfer, > Transferforschung). Lernen umfaßt damit also nicht nur individuelle Verarbeitungsprozesse. Vor allem im berufs und wirtschaftspädagogischen Sinn ist Lernen als Erwerb komplexer Kompetenzen weiter gefaßt. Es umfaßt folgende Bereiche: (1) Institutionen des Lernens; (2) Art und Organisation von Lernangeboten und Lernmöglichkeiten; (3) Kompetenzerwerb im engeren Sinn.
Institutionen des Lernens sind in traditioneller Hinsicht vornehmlich Lehranstalten, in denen ein extremes Kompetenzgefälle zwischen Lehrenden und Lernenden besteht, z. B. Schule oder Universität. Die Lernenden werden mit dem Unterrichtsstoff konfrontiert und erarbeiten ihn sich individuell. In der beruflichen Ausbildung in Deutschland ist das Lernen für eine Vielzahl von Berufen nicht ausschließlich schulisch organisiert, sondern vielmehr im dualen System. Dabei wechseln sich in der Regel während ein und derselben Woche schulischer und betrieblicher Unterricht ab. Berufsschule und Betrieb stellen zwei grundsätzlich unterschiedliche Lerninstitutionen dar. Während Lernen in der Berufsschule eher individuell und fern vom Arbeitsplatz ("learning off the job") abläuft, findet Lernen im Betrieb häufig in Gruppen am Arbeitsplatz ("learning on the job") statt. In beiden Institutionen gibt es also eine unterschiedliche Organisation von Lernangeboten. Darunter wird die Form verstanden, in der Lernen konzipiert bzw. durchgeführt wird. Es kann zwischen Formen verbalen Lernens, Formen des Lernens am Arbeitsplatz und Formen des Lernens in komplexen Lehr-Lern-Arrangements unterschieden werden. Die ersten beiden Formen sind herkömmliche Lernformen und entsprechen den beiden unterschiedlichen Phasen des Lernens im dualen System. Das Lernen in komplexen Lehr-Lern-Arrangements bildet moderne Entwicklungen der wirtschaftspädagogischen und pädagogisch psychologischen Forschung ab, die auf eine Verknüpfung der Lernens in einer Institution und des Anwendens in der Praxis abzielen. Verbales Lernen erfolgt über das Hören von Lehrervorträgen und somit über direkte Übermittlung deklarativen Wissens sowie über schrittweise Prozeduralisierung von Sachwissen (z. B. im Rechnungswesenunterricht). Beim verbalen Lernen tritt regelmäßig eine Reihe von Probleme auf: Es wird viel isolierte Information gelernt, Lehr-Lern-Ziele sind oft auf einem niedrigen taxonomischen Niveau (z. B. mit Ausklammerung tiefer Verstehensprozesse) angesiedelt, individuelle Interessen und betriebliche Leistungsanforderungen finden keine Berücksichtigung, das Lernen ist nur in geringem Maße an Schülermerkmale (z. B. individuelles Vorwissen) adaptiert. Beim Lernen am Arbeitsplatz sind in der Regel hohe Lernmotivation sowie die funktionale und applikative Integration von Lerninhalten gegeben, es erfolgt eine fortlaufende Regeneration des Kenntnis, Erfahrungs und Fertigkeitsstandes, aber keine oder geringe Orientierung an neuen theoretischen Entwicklungen und somit geringe Innovation. Das Lernen in komplexen Lehr-Lern-Arrangements soll die Vorteile des verbalen Lernens und des Lernens am Arbeitsplatz beibehalten und zugleich deren Nachteile vermeiden. Durch die allerdings in der Regel mit hohem instruktionalen Aufwand verbundene Gestaltung komplexer Lernumgebungen wird ein kohärenter Zusammenhang von Zielen und Organisationsformen des Lernens erreicht, der sich gegen rezeptiv-verbales Lernen sowie gegen betriebliche Arbeit ohne relevanten Lerngehalt abgrenzen läßt. Komplexe Lehr-Lern-Arrangements sind definiert als inhaltlich und zeitlich abgegrenzte, strukturierte, komplexe, die eigene Aktivität herausfordernde Situationen für Lernhandeln, die fachliche Inhalte, domänenspezifische Problemstellungen sowie betriebliche Lernziele mit neuen Informationstechniken und Medien verknüpfen und dabei berufliche Handlungskompetenz fördern. Beispiele für solche Arrangements sind etwa die Projektmethode, computergestützte Unternehmens-Simulationen, Planspiele oder Juniorfirmen. In solchen komplexen Lehr-Lern-Arrangement wird der Kompetenzerwerb im engeren Sinn unter vielen verschiedenen Aspekten thematisiert. Dabei geht es nicht nur wie im traditionellen Unterricht ausschließlich um kognitive Kompetenz, sondern auch um soziale Kompetenz, Wertorientierung und moralische Urteilskompetenz. Für alle diese Bereiche gilt, daß Kompetenz die notwendige individuelle Voraussetzung zur Bewältigung komplexer Aufgaben und Anforderungen darstellt und somit eine wesentliche Grundlage effektiven Handelns ist. In bezug auf kognitive Kompetenz sind relevante Forschungsgebiete die Analyse von Bedingungen des Wissenserwerbs in Hinblick auf künftige Wissensaktivierung, die Entwicklung eines hohen Organisiertheitsgrades des deklarativen Wissens, das Zusammenspiel von deklarativem und prozeduralem Wissen, die Prozeduralisierung und die multiple Repräsentation von Wissen. Zu den zentralen sozialen Kompetenzen gehören das Hineinwachsen in die Expertengemeinde sowie die Schlüsselqualifikationen der Kooperationsfähigkeit, kommunikativer Fähigkeiten und des Durchsetzungsvermögens. Über die Ausbildung moralischer Kompetenz wird die Verinnerlichung und Weitergabe gesellschaftlicher Normen und Werte, z. B. über die Herausbildung einer Unternehmensethik, gewährleistet.
Lernen
ACHTENHAGEN, F./JOHN, E. G. (Hrsg.): Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements Innovationen in der kaufmännischen Aus und Weiterbildung. Wiesbaden 1992
DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT (DFG): Berufsbildungsforschung an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. Situation Hauptaufgabe Förderungsbedarf. Senatskommission für Berufsbildungsforschung. Denkschrift. Bonn und Weinheim 1990
GRUBER, H./MANDL, H.: Das Entstehen von Expertise. In: Hoffmann, J./Kintsch, W. (Hrsg.): Lernen. Enzyklopädie der Psychologie, C/II/7. Göttingen 1996, S. 583-615
MANDL, H./GRUBER, H./RENKL, A.: Lehren und Lernen mit dem Computer. In: WEINERT, F. E./MANDL, H. (Hrsg.): Psychologie der Erwachsenenbildung. Enzyklopädie der Psychologie, D/I/4. Göttingen 1997, S. 437-467
LEUTNER, D.: Adaptive Lehrsysteme. Weinheim 1992
STEINER, G.: Lernen: 20 Szenarien aus dem Alltag. Bern 1997 (2. Aufl.)
Metadaten zuletzt geändert: 25 Mai 2018 12:47