| Lizenz: Veröffentlichungsvertrag für Publikationen ohne Print on Demand (3MB) |
- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-430354
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.43035
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 30 März 2020 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Klaus W. Lange |
Tag der Prüfung: | 30 Januar 2020 |
Institutionen: | Humanwissenschaften > Institut für Psychologie Humanwissenschaften > Institut für Psychologie > Lehrstuhl für Psychologie III (Biologische, Klinische und Rehabilitationspsychologie) - Prof. Dr. Klaus W. Lange |
Sonstige Projekte: | Missbrauch von Kindern: Aetiologie, Dunkelfeld, Opfer (MiKADO) |
Themenverbund: | Nicht ausgewählt |
Forschergruppe und Forschungszentren: | Nicht ausgewählt |
Stichwörter / Keywords: | Sexuell grenzverletzende Erfahrungen in der Kindheit und Jugend; Prävalenz; Mitteilungsverhalten; Psychosoziale Auswirkungen; Schutzfaktoren; Risikofaktoren; Sexueller Kindesmissbrauch |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 43035 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, unter Einschluss des Dunkelfelds sexuelle Grenzverletzung in der Kindheit und Jugend in Deutschland erstmalig in Gestalt einer ganzheitlichen Trias zu explorieren. Dazu wurden die Prävalenzen verschiedener Formen sexueller Grenzverletzung in der Kindheit und Jugend, das Mitteilungs- und Hilfesuchverhalten der Betroffenen, sowie mögliche Folgen sexueller ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, unter Einschluss des Dunkelfelds sexuelle Grenzverletzung in der Kindheit und Jugend in Deutschland erstmalig in Gestalt einer ganzheitlichen Trias zu explorieren. Dazu wurden die Prävalenzen verschiedener Formen sexueller Grenzverletzung in der Kindheit und Jugend, das Mitteilungs- und Hilfesuchverhalten der Betroffenen, sowie mögliche Folgen sexueller Grenzverletzung für das psychosoziale und sexuelle Empfinden und Verhalten der Betroffenen unter Berücksichtigung möglicher Risiko- und Schutzfaktoren untersucht.
Mithilfe eines Online-Fragebogens wurde eine geschlechterrepräsentative Quotenstichprobe im Alter von 18 bis 30 Jahren aus der Grundgesamtheit der Online-Access-Panels zweier Markt- und Sozialforschungsinstitute zu sexuellen Erfahrungen vor dem 16. Geburtstag, dem bisherigen Offenbarungsverhalten erlebter sexueller Grenzverletzung und zum aktuellen psychosozialen und sexuellen Befinden und Verhalten befragt.
Von den 7.909 Befragten hat ungefähr jede dritte Frau und etwa jeder sechste Mann eine der drei erhobenen Formen sexueller Grenzverletzung in der Kindheit oder Jugend erlebt. Dabei machten die Betroffenen am häufigsten unangenehme / belastende sexuelle Erfahrungen (Subjektivkriterium), gefolgt von sexuellen Erfahrungen mit mindestens fünf Jahre älteren Personen (Alterskriterium) und am seltensten unangenehme / belastende Erfahrungen mit mindestens fünf Jahre älteren Personen (Kombikriterium). Mädchen erlebten alle drei Formen sexueller Grenzverletzung und auch Gewalt häufiger als Jungen und beide Geschlechter erlebten am häufigsten penetrative sexuelle Grenzverletzung. Die sexuell grenzverletzenden Personen waren überwiegend männliche, bekannte und außerfamiliäre Personen. Betroffene wiesen im Vergleich zu Nichtbetroffenen geringere Bildungschancen und häufiger Brüche in der Herkunftsfamilienkonstellation (broken home) auf.
Etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer haben sich einer anderen Person offenbart und lediglich in 8% der Fälle wurde die Polizei informiert. Innerfamiliäre sexuelle Grenzverletzungen wurden eher innerfamiliär anvertraut und männliche Betroffene teilten sich seltener außerfamiliär mit. Penetrative Erfahrungen wurden zwar später, jedoch insgesamt häufiger und mehr Personen mitgeteilt als hands-on oder hands-off Erfahrungen. Ein externaler Schuldattributionsstil erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer Offenbarung, eine internale Schuldattribution verringerte diese. Ungefähr zwei Drittel der Betroffenen empfanden die Reaktionen der Ansprechpartner unterstützend. Betroffene Männer schätzten die Reaktionen häufiger nicht unterstützend ein als Frauen. Wichtig für die Betroffenen war, ob die Ansprechpartner ihnen geglaubt, sie zur Polizei bzw. einer anderen Hilfestelle begleitet oder Vorwürfe gemacht haben. Häufige Gründe für bisheriges Nichtmitteilen waren Schuldgefühle und die Angst vor Nichtglauben.
Betroffene sexueller Grenzverletzung zeigten im jungen Erwachsenenalter häufiger Symptome internalisierender und externalisierender Störungen und verhielten sich sexuell riskanter als Nichtbetroffene. Die psychosoziale Gesundheit der Betroffenen war stärker beeinträchtigt, wenn diese unangenehme / belastende sexuelle Erfahrungen gemacht hatten (Subjektiv- oder Kombikriterium), als bei den Betroffenen, die Erfahrungen ausschließlich mit mindestens fünf Jahre älteren Personen gemacht hatten (Alterskriterium). Auch hinsichtlich sexueller Empfindens- und Verhaltensprobleme war das Kombikriterium mit den stärksten Ausprägungen assoziiert. Eine externale Schuldattribution und ein höheres Selbstkontrollempfinden erwiesen sich zudem als protektive Faktoren, während eine ausgeprägte internale Schuldattribution ein Risikofaktor für psychosoziale Folgeprobleme darstellte. Nicht unterstützende Reaktionen der Ansprechpartner und eine allgemein weniger stark wahrgenommene soziale Unterstützung waren zudem mit einer höheren psychosozialen Belastung verknüpft.
Aus den Ergebnissen lassen sich einige Implikationen für Forschung und Praxis ableiten. Der häufig geschlechtergetrennt durchgeführte Vergleich verschiedener Formen und Intensitätsgrade sexueller Grenzverletzung erwies sich in der vorliegenden Studie als differenziert Erkenntnis schaffend. Künftige Studien können durch eine breite Kriterienbildung und Abdeckung von Themen zu flexiblen und transparenten Aussagen und Interpretationen von Studienergebnissen und zur Identifikation weiterer Einflussfaktoren auf die Aufdeckung sexueller Grenzverletzung und das psychosoziale Folgebefinden beitragen. Präventions- und Interventionsansätze sollten auf Basis fundierter empirischer Studienergebnisse entwickelt, umgesetzt und evaluiert werden. Schulen eignen sich aufgrund der Schulpflicht als Kontext für Prävention und Aufdeckung, jedoch sollte dies auch als gesamtgesellschaftliche Verantwortung gesehen werden (Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, 2019).
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The aim of the present dark-field study is to explore sexual boundary violations during childhood and adolescence (i.e. child sexual abuse) in the German population in a holistic way. For this purpose, the prevalence of different types of sexual boundary violations during childhood and adolescence and the disclosure and help-seeking behaviour of those affected were assessed. Furthermore, possible ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
The aim of the present dark-field study is to explore sexual boundary violations during childhood and adolescence (i.e. child sexual abuse) in the German population in a holistic way. For this purpose, the prevalence of different types of sexual boundary violations during childhood and adolescence and the disclosure and help-seeking behaviour of those affected were assessed. Furthermore, possible consequences on their psychosocial well-being and sexual behaviour were investigated.
A gender-representative quota sample aged 18 to 30 participated in a panel-based online survey. The survey asked participants about their sexual experiences before their 16th birthday, their disclosure behaviour in case they experienced sexual boundary violations, and their current psychosocial health and sexual behaviour.
Of the 7.909 participants, approximately one in six men and one in three women experienced one of the three types of sexual boundary violations during childhood or adolescence. Affected women and men most often experienced unpleasant / afflicting sexual interactions (i.e. subjective criterion), followed by sexual experiences with persons at least five years older (i.e. age criterion), and least frequently unpleasant / afflicting sexual experiences with persons at least five years older (i.e. combined criterion). Girls experienced all three types of sexual boundary violations and violence more frequently than boys. Both sexes most often experienced penetrative sexual boundary violations. The persons who violated sexual boundaries were mostly male, known, and extra-familial. Compared to unaffected persons, those affected had lesser educational opportunities and had more frequent broken-home experiences within their family of origin.
About 50% of the women and one-third of the men have disclosed sexual boundary violations they had experienced to another person, and the police have only been informed in 8% of the cases. Intra-familial sexual boundary violations were more likely to be revealed within the family, and affected men were less likely to disclose to extra-familial contact persons. Penetrative experiences were disclosed later, but more frequently, than hands-on or hands-off experiences. An external attributional style increased the likelihood of disclosure, while internal attributions minimised it. About two-thirds of those affected rated the reactions of the contact persons as supportive. In contrast to women, affected men did not perceive the reactions as supportive. For those affected, it was important to know whether the contact persons believed them, accompanied them to a point of contact (e.g. police), or blamed them for having experienced sexual boundary violations. Reasons for non-disclosure were mainly the feeling of guilt and the fear of not being believed.
Participants affected by sexual boundary violations more frequently showed symptoms of internalising and externalising disorders and sexual risk-taking behaviour in young adulthood than non-affected persons. The psychosocial well-being of affected men and women was more severely impaired if they had experienced unpleasant / afflicting sexual acts (i.e. subjective or combined criterion), compared to those who had had sexual experiences solely with persons at least five years older (i.e. age criterion). Furthermore, an external attributional style and a greater feeling of self-control turned out to be protective factors, while internal attributions increased the risk of psychosocial problems. Meanwhile, unsupportive responses of contact persons and less perceived social support were associated with more psychosocial problems.
Some implications for research and practice can be derived from the results of this study. The comparison of different types and degrees of intensity of sexual boundary violations, often conducted separately for each sex, proved to be a reasonable way to gain differentiated knowledge. Through the transparent use of broad definitions or criteria, future studies on sexual boundary violations can contribute to flexible interpretations of study results and to the identification of factors that influence the disclosure behaviour and the psychosocial well-being of affected men and women. Concepts for prevention and intervention strategies should be developed, implemented, and evaluated based on empirical research. Due to compulsory education in Germany, schools are an important and suitable place not only for prevention work but also for the disclosure of incidents of sexual boundary violations during childhood or adolescence. However, to protect children better, responsibility has to be ensured on a macro-social level (Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, 2019).
Metadaten zuletzt geändert: 25 Nov 2020 16:41