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- URN zum Zitieren dieses Dokuments:
- urn:nbn:de:bvb:355-epub-542129
- DOI zum Zitieren dieses Dokuments:
- 10.5283/epub.54212
Dokumentenart: | Hochschulschrift der Universität Regensburg (Dissertation) |
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Open Access Art: | Primärpublikation |
Datum: | 14 Juli 2023 |
Begutachter (Erstgutachter): | Prof. Dr. Dr. Ekkehard Haen |
Tag der Prüfung: | 5 Mai 2023 |
Institutionen: | Chemie und Pharmazie > Institut für Pharmazie |
Stichwörter / Keywords: | Sedierung; Risikoscore; pharmakodynamische Interaktionen; Gerontopsychiatrie |
Dewey-Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 615 Pharmazie |
Status: | Veröffentlicht |
Begutachtet: | Ja, diese Version wurde begutachtet |
An der Universität Regensburg entstanden: | Ja |
Dokumenten-ID: | 54212 |
Zusammenfassung (Deutsch)
Die Anwendung von Arzneimitteln geht oft mit dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) einher. Eine Nebenwirkung, die in geringem Ausmaß erwünscht und in größerem Ausmaß lebensgefährlich sein kann, ist Sedierung. Unter Sedierung versteht man eine Dämpfung des zentralen Nervensystems, die von einer leichten Beruhigung bis hin zu einer Atemdepression oder einem Kreislaufkollaps ...
Zusammenfassung (Deutsch)
Die Anwendung von Arzneimitteln geht oft mit dem Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) einher. Eine Nebenwirkung, die in geringem Ausmaß erwünscht und in größerem Ausmaß lebensgefährlich sein kann, ist Sedierung. Unter Sedierung versteht man eine Dämpfung des zentralen Nervensystems, die von einer leichten Beruhigung bis hin zu einer Atemdepression oder einem Kreislaufkollaps reichen kann. Die Intension der vorgestellten Arbeit ist einen Score zu entwickeln, der das Risiko einer Sedierungsnebenwirkung basierend auf der Medikation und patientenindividuellen Faktoren vorhersagen kann. Dieser Score soll helfen das Auftreten von sedierungsassoziierten UAW zu reduzieren und damit zu einer verbesserten Sicherheit der Arzneimitteltherapie beitragen.
Die Grundlage für die Erstellung des Risikoscores wurde in der vorgestellten Arbeit mit Hilfe einer literaturbasierten Berechnung von Rezeptorbesetzungen und einer anschließenden Auswertung der KONBEST-Datenbank, die Patienten- und Messwerte zu Therapeutischem-Drug-Monitoring (TDM) enthält, gelegt. Die KONBEST-Datenbank beinhaltet 62.687 Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen vor allem zu psychiatrischen Indikationen von 20.262 Patienten. Abschließend wurde eine klinischen Beobachtungsstudie in der Gerontopsychiatrie durchgeführt, um den Score zu optimieren. In der Anwendungsbeobachtung wurden 99.199 Medikationsgaben über 8.306 Liegetage verteilt von 344 Patienten ausgewertet.
Da es keine festen Messgrößen für Sedierung gibt, wurden zuerst alle Angaben zu Patienten eingehend daraufhin untersucht, wie ein unerwünschter Sedierungsstatus festgestellt werden kann. Die manuelle Auswertung von Anforderungsbögen in der KONBEST-Datenbank und von Pflegeprotokollen aus der Beobachtungsstudie ergab 99 Begriffe, die einer Vigilanzminderung zugeordnet werden können. Diese Einteilung resultierte in 514 Patienten in KONBEST und 94 Patienten in der Beobachtungsstudie bei denen eine Sedierung als UAW auftrat.
Ein Vergleich der sedierten Patienten mit entsprechenden Kontrollgruppen innerhalb der Datensätze deckte einige Unterschiede bezüglich demographischer Faktoren und der Medikation auf. In der Beobachtungsstudie wurden beispielsweise die zwei sedierenden Arzneimittel Risperidon (p=0,045) und Quetiapin (p=0,048) signifikant öfter an Patienten mit einer Vigilanzminderung verabreicht. Auch in der naturalistischen KONBEST-Datenbank konnte festgestellt werden, dass die Wirkstoffspiegel von Quetiapin häufiger bei Patienten mit sedierungsassoziierten UAW als bei Patienten ohne UAW bestimmt wurden (p=2,79x10-12). Bemerkenswerterweise unterschieden sich die verordneten Quetiapin Dosierungen im Median (400 mg/d [IQR:400 mg/d]) nicht zwischen den Gruppen, wohingegen die gemessenen Konzentrationen in den Personen mit sedierungsassoziierter UAW deutlich erhöht waren (Median (Sediert) =157 ng/ml [IQR: 188,5 ng/ml]; Median (Nicht Sediert) =115 ng/ml [IQR: 182ng/ml]; p=0,002).
Zur genaueren Untersuchung der Einflussfaktoren auf Wirkstoffspiegel im Blut wurden in der vorgestellten Doktorarbeit unterschiedliche Regressionsmodelle innerhalb der KONBEST-Datenbank berechnet. Es zeigte sich, dass die verabreichte Dosis bis zu 32,4 % (R²=0,324, p<1x10-300) der gesamten Variabilität aller gemessenen Konzentration erklärt. Für die beiden Wirkstoffe Clozapin (R²=0,313, p=8,46x10-176) und Olanzapin (R²=0,306, p=4,81x10-156) wurde außerdem ein signifikanter Einfluss des Raucherstatus nachgewiesen. Ein Anteil von bis zu 74,4 % (R²=0,744, p=1,29x10-243) der Variation in den gemessenen Wirkstoffkonzentrationen verbleibt unerklärt. Mit Hilfe einer Stratifizierung durch den dosisbezogenen Referenzbereich (DRB) konnten deutlich stärkere Dosis-Konzentrations-Beziehungen von bis zu R²=0,677 erreicht werden.
Das Sedierungsrisiko hängt neben erhöhten Wirkstoffkonzentrationen auch von pharmakodynamischen Einflüssen ab. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchungen das pharmakologische Sedierungsrisiko im Score durch eine Analyse der Rezeptorbesetzung unter therapeutischen Wirkstoffspiegeln abgebildet. 122 Wirkstoffe, zu denen Literaturdaten vorlagen, konnten hinsichtlich ihres Sedierungspotentials kategorisiert werden. Die Besetzung eines Rezeptorsystems wurde mit bis zu vier Punkten im Score berücksichtigt, wobei ein Wirkstoff mehrere Systeme beeinflussen kann. Das größte pharmakologische Risikopotential hat nach dieser Berechnung Imipramin mit 8 Punkten, da es 98,6 % der α-2-Rezeptoren (3 Punkte), 97,8 % der H1-Rezeptoren (3 Punkte) und 75,3 % der κ-Opioid-Rezeptoren (2 Punkte) besetzt. Zusätzlich zur Bewertung der Wirkstoffe stellte sich heraus, dass auch patientenindividuelle Faktoren, wie das Alter und kognitive Fähigkeiten, einen Einfluss auf das Risiko sediert zu sein haben. Deshalb flossen diese Faktoren in den Score ein und wurden durch eine Auswertung der Beobachtungsstudie nach ihrer Odds Ratio gewichtet. Eine Bewertung einzelner patientenindivdiueller Faktoren erfolgte mitn maximal fünf Punkten wohingegen Wirkstoffe bis zu acht Risikopunkte erreichten.
Die Anwendung des Scores auf die 344 Patienten der Beobachtungsstudie führte zu einem medianen Score von 33 Punkten [IQR: 20 Punkte] in den 94 Personen, die eine sedierungsassoziierte UAW zeigten. Demgegenüber erreichte die restliche Kohorte im Median einen Wert von 18 Punkten [IQR: 16,75 Punkte]. Diese Validierung des Scores zeigte eine hochsignifikante Diskriminierung der Patienten je nach ihrem Sedierungsstatus (p=1,87x10-12). Wird bei einem Patienten eine Scorepunktzahl größer 26 Punkten festgestellt, so ist sein Risiko für eine Vigilanzminderung 4,5-mal höher als bei niedrigeren Punktzahlen (OR 4,58 [KI:2,70-7,87]; p=1,66x10-09). Bei 59 der 94 Personen hätte der entwickelte Risikoscore ein erhöhtes Sedierungsrisiko vorhergesagt. Infolgedessen ist es möglich, Risikopatienten prospektiv zu erkennen und die Behandlung entsprechend anzupassen.
Der in dieser Arbeit entwickelte Risikoscore nutzt allen Beteiligten des Gesundheitssystems. In erster Linie profitiert der Patient von dem neuen Score, da potenzielle Sedierungszustände nicht auftreten und somit Folgekomplikationen verhindert werden. Des Weiteren wird dem Arzt ein zusätzliches Werkzeug zur Verfügung gestellt, dass eine individuellere Therapie ermöglicht und schon am ersten Behandlungstag das Auftreten von Nebenwirkungen minimiert. Der Score ist einfach anzuwenden und warnt zuverlässig vor einem erhöhten Sedierungsrisiko. Diese Warnung steigert die Sichtbarkeit einer potenziellen Sedierung und hat keine negativen Konsequenzen für den Patienten. Ein selteneres Auftreten von Sedierung trägt außerdem dazu bei, dass Krankenhausaufenthalte verkürzt werden und ermöglicht so eine bessere Ressourcenverteilung in den Kliniken.
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
use of drugs is often accompanied by the occurrence of adverse drug reactions (ADR). One ADR that is desirable to a lesser extent and can be life-threatening to a greater extent is sedation. Sedation is an attenuation of the central nervous system that can range from mild sedation to respiratory depression or circulatory collapse. The intent of the work presented is to develop a score that can ...
Übersetzung der Zusammenfassung (Englisch)
use of drugs is often accompanied by the occurrence of adverse drug reactions (ADR). One ADR that is desirable to a lesser extent and can be life-threatening to a greater extent is sedation. Sedation is an attenuation of the central nervous system that can range from mild sedation to respiratory depression or circulatory collapse. The intent of the work presented is to develop a score that can predict the risk of a sedation side effect based on medication and patient-specific factors. This score should help reduce the occurrence of sedation associated ADRs and thus contribute to improved safety of drug therapy.
In the presented work, the basis for the establishment of the risk score is a literature-based calculation of receptor occupancies and an evaluation of the KONBEST database, which contains patient and measurement data on therapeutic drug monitoring (TDM). The KONBEST database contains 62,687 drug concentration determinations primarily for psychiatric indications from 20,262 patients. Finally, a clinical observational study was conducted in geriatric psychiatry to optimize the score. In the observational study, 99,199 medication administrations distributed over 8,306 hospital bed days from 344 patients were evaluated.
As there are no fixed measures of sedation, all patient records were first examined in detail to determine how an adverse sedation status could be detected. Manual analysis of request forms in the KONBEST database and nursing protocols from the observational study resulted in a list of 99 terms that could be assigned to vigilance reduction. This classification resulted in 514 patients in KONBEST and 94 patients in the observational study in whom sedation occurred as an ADR.
Comparison of the sedated patients with corresponding control groups within the data sets revealed some differences in terms of demographic factors and medication. For example, in the observational study, the two sedating drugs risperidone (p=0.045) and quetiapine (p=0.048) were administered significantly more often to patients with vigilance reduction. Furthermore, the increased administration of quetiapine was also confirmed in the KONBEST database (p=2.79x10-12). Remarkably, median quetiapine doses (400 mg/d [IQR:400 mg/d]) prescribed did not differ between groups, whereas measured concentrations were significantly elevated in those with sedation-associated ADR (median (sedated) =157 ng/ml [IQR: 188.5 ng/ml]; median (non-sedated) =115 ng/ml [IQR: 182ng/ml]; p=0.002).
To further investigate the factors influencing drug levels in blood, different regression models were calculated within the KONBEST database in the presented dissertation. It was found that the administered dose explained up to 32.4 % (R²=0.324, p<1x10-300) of the variability in measured concentrations. For the two drugs clozapine (R²=0.313, p=8.46x10-176) and olanzapine (R²=0.306, p=4.81x10-156), a significant influence of smoking status was demonstrated. A proportion of up to 74.4 % (R²=0.744, p=1.29x10-243) of the variation in measured drug concentrations remained unexplained. Using stratification by the dose-related reference range (DRR), significantly higher dose-concentration relationships of up to R²=0.677 were be obtained.
Sedation risk depends not only on increased drug concentrations but also on pharmacodynamic influences. For this reason, pharmacological sedation risk was mapped in the score by analyzing receptor occupancy under therapeutic drug levels in the studies presented here. 122 agents for which literature data were available were categorized with respect to their sedation potential. The occupation of a receptor system was taken into account with up to four points in the score, although an active agent can influence several systems. According to this calculation, imipramine has the greatest pharmacological risk potential with 8 points, as it occupies the α-2 receptor 98.6 % (3 points), the H1 receptor 97.8 % (3 points), and the κ-opioid receptor 75.3 % (2 points). In addition to the drug burden, patient-specific factors, such as age and cognitive ability, were also found to influence the risk of being sedated. Therefore, these factors were incorporated into the score and weighted by their odds ratio through an observational study evaluation. Individual patient-individual factors were scored with a maximum of five points, whereas agents scored up to eight risk points.
Applying the score to the 344 patients in the observational study resulted in a median score of 33 points [IQR: 20 points] in the 94 subjects who exhibited a sedation-associated ADR. In contrast, the remaining cohort achieved a median score of 18 points [IQR: 16.75 points]. This validation of the score showed highly significant discrimination of patients according to their sedation status (p=1.86x10-12). If a patient is found to have a score greater than 26 points, his or her risk for vigilance reduction is 4.5 times higher than for lower scores (OR 4.58 [CI:2.70-7.87]; p=1.66x10-09). In 59 of the 94 subjects, the developed risk score would have predicted increased sedation risk. As a result, it is possible to prospectively identify at-risk patients and adjust treatment accordingly.
The risk score developed in this work benefits all persons involved in the health care system. First and foremost, the patient profits from the new score, as potential sedation states do not occur, and thus subsequent complications are prevented. Furthermore, the physician is provided with an additional tool that allows a more individualized therapy and minimizes the occurrence of side effects already on the first day of treatment. The score is easy to use and reliably warns of an increased sedation risk. This warning increases the visibility of potential sedation and has no negative consequences for the patient. Less frequent occurrence of sedation also helps to shorten hospital stays and thus enables better resource management in clinics.
Metadaten zuletzt geändert: 14 Jul 2023 09:36